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Kultur: Die Lockvögelin

Brigitte Bardot, einst Frankreichs Sex-Filmikone, feiert heute als Tierschützerin ihren 70. Geburtstag

Auch sie ist ab heute schon 70. Wie vor einer Woche Sophia Loren, wie demnächst auch Udo Jürgens. Als wär’s ein besonders schneller Herbst, und im ewigen Gestern, also fast eben noch, schien Brigitte Bardot doch so ganz anders. Hinter der schrullig fanatischen Tierschützerin mit gelegentlich rechtsradikalen Ausfällen, die manchmal noch durch die Politklatschspalten geistert, leuchtet für viele ein Jugend-Idol. Etwas, das mit Haut und Haar, mit Busen und Schmollmund zu tun hat.

Die beiden letzten Attribute fehlen ja fast nie, wenn bei uns von Brigitte Bardot die Rede ist. Dabei macht der „Schmollmund“ gar keinen Sinn. Denn B.B., die eigentlich Camille Javal heißt und ihre Künstler-Initialen schon früh als Marke schützen ließ, hat kaum geschmollt. Ihre aufgeworfenen Lippen fand sie selber als junges Mädchen ganz unschön, aber sie waren, anders als das spätere Wasserstoffblond, nur ihre Natur – Jahrzehnte bevor die Botox-Spritzen in Mode kamen. Sie hatte auch keinen Grund zu schmollen: Die Bardot, eine Pariserin aus wohlhabender Fabrikantenfamilie, war bereits als Achtzehnjährige begehrt, und der Filmregisseur Roger Vadim, ihr erster Mann, machte die als Fotomodell jobbende Schauspiel- und Tanzschülerin mit den engen Pullis und dem tiefen Dekolleté sehr schnell zum Sexidol. Zu einer Frühreifen, der man kaum ihre Mädchenhaftigkeit gönnte, die schon als Anfangszwanzigerin immer volle, füllige Frau und Lustsymbol sein sollte.

Das war in den halbprüden Fünfzigerjahren, und schon ihr (und Vadims) erster Welterfolg trug den schwülstigen Titel „Et Dieu créa la femme“ (1956) – was dem deutschen Verleih im Hinblick auf die Kirchen zu heikel erschien. Worauf man den Streifen hierzulande etwas scheinheilig, aber sündenfällig „Und immer lockt das Weib“ benannte.

Sie sollte, mehr noch als die Loren oder die Lollo, Europas Antwort auf Marilyn Monroe sein. Doch MM war in ihren besten Filmen nie nur Objekt, sie hatte auch ihren eigenen mädchenhaften Charme, besaß Selbstironie und Witz, während die BB lange Zeit vor allem dieRolle der Lasziven, der in zerwühlten Pfühlen lauernden Mätresse geben musste. Ein Gesicht, das nicht bloß den blond naiven Gegensatz zum schicken, lebenshungrigen Existentialismus der gleichaltrigen, soeben verstorbenen Francoise Sagan (ihrer zeitweiligen Nachbarin in Saint-Tropez) erkennen ließ, war dann plötzlich in Henri Clouzots Psychothriller „La vérité“ („Die Wahrheit“, 1960) zu sehen. Auch Jean-Luc Godard hatte die Bardot einmal engagiert, aber in „Le mépris“ (der „Verachtung“, 1963) ist von BB am Ende doch wieder nur die bäuchlings Nackte auf der berühmten Dachterrasse der Malaparte-Villa in Capri geblieben und die Tatsache, dass Michel Piccoli neben der Bardot in der Badewanne den Hut aufbehielt. Komödiantisch war sie immerhin zwei Jahre später in Louis Malles Musik-Western „Viva Maria!“, da spielte und sang sie neben Jeanne Moreau, doch die spielte sie mit ihrer Weltklasse halt ziemlich an die Wand.

Dennoch: BB, die etwas grobe Hände und eine, wenn ich mich recht erinnere, leicht metallische Stimme hat(te), sie konnte über den puren Sinnenreiz, der sie in der Filmmaske ordinärer wirken ließ als sie je war, auch ihren eigenen Charme entwickeln. Zum Beispiel singt sie in den 60ern ein Poplob aufs Motorrad: „Harley Davidson“ – und in diesem Song spricht sie den ersten Namen noch englisch aus, um „Davidson“ dann mit leicht französischem Akzent (David statt Dayvid) hinterherzusetzen, wobei die letzte Silbe jedesmal zum rasant betonten „sssonnn“ wird. Wie ein Motorzischen, untermalt von einem angedeuteten Lachen.

Nun ist ihr Leben auch so schnell vorbeigezischt. Trotz aller Affären, Ehen (die eine mit Gunther Sachs war schon ein reiferer Klatschfall) und der Idee Präsident Pompidous, die selbst idolisch doppelt besungene Brigitte Bardot Bardot, mit Büste und Briefmarke zur französischen Ikone, zur modernen Marianne zu erheben. Vom Film hat sie sich – Geschmack, Bescheidung oder Eitelkeit? – bereits mit 40 zurückgezogen. Dafür feiert sie heute ihren 70. als Legende.

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