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Kultur: Die perfekte Radiowelle

Ein

von Kai Müller

Das ist die perfekte Welle, das ist der perfekte Tag“, jubelt die Band Juli in ihrem aktuellen Hit, „lass dich einfach von ihr tragen, denk am besten gar nicht nach.“ Zeilen, die dem kollektiven Entsetzen und Erklärenwollen derzeit wie Hohn klingen. Angesichts der unvorstellbaren Opferzahlen an den Rändern des Indischen Ozeans ist es zu zynisch, in der Tragödie auch ein ästhetisches Ereignis zu sehen, ein, – ja – faszinierendes Naturschauspiel, eine perfekte Welle – wenn es so etwas überhaupt gibt.

Dabei geht es in dem Song nur um einen alten SurferTraum, wie ihn auch Kathryn Bigelows „Point Break“-Thriller (mit Patrick Swayze und Keanu Reeves, 1991) feiert: der endlose Ritt, bei dem die Elemente einen zu verschlingen drohen, wird da zum heiligen Gral der Spaßkultur hochstilisiert. Nicht mitbedacht ist der Fall, dass eine Superwelle nicht an den Stränden verödet, sondern weiterläuft, über die Brandungszonen hinaus, hinein in die Straßen, Hotelzimmer und -lobbys, über Landzungen und Inseln hinweg. Eine tödliche Perfektion.

Im Radio kann man den Juli-Hit „Die perfekte Welle“ nicht mehr hören. Die meisten Sender haben ihn aus dem Programm genommen – und Grönemeyers „Land unter“, „Die Flut“ von Joachim Witt, „Tag am Meer“ von den Fantastischen Vier sowie „Wellenreiter“ der Sportfreunde Stiller gleich mit verbannt. Es wäre geschmacklos, lautet die Begründung, solche Songs jetzt zu spielen. Und das stimmt: „Jetzt kommt sie langsam auf dich zu,/ das Wasser schlägt dir ins Gesicht,/ siehst dein Leben wie einen Film,/ du kannst nicht glauben, dass sie bricht.“ Wenn man den Tod mitsingen hört, macht selbst der Zynismus keinen Spaß mehr.

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