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Kultur: Die Schattenseiten des Lichtmenschen

Tanz im August: Saburo Teshigawara zeigt im Haus der Berliner Festspiele die Deutschlandpremiere von „Luminous“

Mit dem Licht ist das so eine ganz eigene Sache. Es ist genauso allgegenwärtig wie unergründlich. Hinter seinem grellen Schein, so ahnt man, verbirgt es ein dunkles Geheimnis. Saburo Teshigawara ist ihm auf der Spur.

Ausgebildet als bildender Künstler, erfahren als Filmer und Beleuchter und verehrt als einflussreichster japanischer Choreograf, nimmt er es mit Lichtblitzen, Brechungen und Schattenrissen auf. Seine Arbeit „Luminous“ zeigt er zusammen mit seiner Compagnie Karas als Deutschlandpremiere im Rahmen des Festivals „Tanz im August". Schwerelose, grünlich schimmernde Gestalten sind zu sehen, die durch das Dunkle gleiten. Fluoreszierende Geister, leuchtende Schatten. Tänzer, verwandelt in ein hoch ästhetisches Mobile. Doch Teshigawara injeziert seine Traumbilder nur ganz langsam und arrangiert einen Abend von verstörender, abweisender Schönheit.

Es beginnt mit einem Solo des Choreografen, das zunächst durch die Geräuschbrocken industrieller Herkunft gesteuert scheint. Der Körper reagiert scharfkantig auf den akustischen Teilchenbeschleuniger, ruckt minimalistisch, ehe er an Eleganz gewinnt. Dann jagen die Bewegungen immer schneller durch Teshigawaras Körper, durchwandern ihn von der Fußsohle bis zu den Fingerspitzen, von denen sie mit einer leichten Drehung in den Raum gepumpt werden. Verflüssigte Rituale, Chi fließt. Und im Strömen der Energie verlieren sich die festen Konturen des Tänzers, lösen sich auf.

Eine irritierende messianische Aura weht um Teshigawara, die Lichtgestalt, die in Glasscheiben schaut wie Narziss, und dessen Spiegelbild so gar nicht gebrochen, gestaucht oder verzerrt zurückgeworfen wird. Im Gegenteil: In der nächsten Szene lässt er gar einen neongrün strahlenden Engel vom Schnürboden herab. Der winkt in Zeitlupe, ein blendender Gruß. Doch das schwarze Theater birgt zugleich die schwächsten tänzerischen Momente, muss permanent Leuchtwände verschieben und arbeitet hart für den Zauber. Wenig bleibt hängen, wie von einem Traum. Der Blitz aber, der einen Menschen trifft und seinen Schatten auf der Wand fotografisch fixiert, zuckt ins Herz.

Teshigawaras anschließende Tai-Chi-Sitzung zu Mozarts Klarinettenkonzert hingegen zerrt am Geduldsfaden, wirkt abgeschlossen, abweisend und potenziell unendlich. Also doch alles eitel unter der Sonne? In diesem Moment des Zweifels zieht der Zeremonienmeister seine Trumpfkarte: Stuart Jackson. Der blind geborene Brite entdeckte den Tanz bei einem Teshigawara-Workshop für sich. Jetzt wirbelt er um die gefühlte Bühnenmitte, überwindet Mühe und Unsicherheit, setzt zum Fliegen an.

Und Teshigawara, eben noch in einem Fluss mit Mozart, segelt dem schwankenden Jackson nach. Die Orgel jubelt dazu, und rasch wird das Imperfekte mit ästhetischem Blattgold überzogen. Ein emotionaler Fluchtpunkt, kühl eingepasst in einen störrischen Tanzabend. Ulrich Amling

Nochmals heute, 20 Uhr.

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