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Kultur: Die schönsten Franzosen

Gäste aus Paris begeistern in der Philharmonie.

Großartige, liebenswerte, unberechenbare Musikmetropole Berlin: Der Vorverkauf für das Gastspiel des Orchestre Philharmonique de Radio France lief mehr als schleppend, am Tag des Auftritts würde man nicht einmal einen Hund vor die Tür jagen – und dann prallt man Sonntagabend beim Betreten der Philharmonie gegen eine Menschenmasse, die sich vor der Abendkasse staut. Hunderte sind das, kurzentschlossen aufgebrochen, um die Pariser mit einem rein französischen Programm zu hören. Um 20.07 Uhr kann Myung-Whun Chung dann den ersten Einsatz tatsächlich vor vollem Haus geben.

Wie eine japanische Tuschezeichnung wirkt Claude Debussys „Après-midi d’un faune“ bei Chung. So zart lässt er die Klangfarben changieren, dass die einzelnen Orchestergruppen sich kaum noch unterscheiden lassen. Allein das sanfte Pling der Crotales, der antiken Zimbel, hebt er als exotisches Aperçu hervor. Eine exquisite, asiatisierende Lesart.

In luxuriös großer Besetzung (zehn Kontrabässe!) ist das Orchester angereist. Doch mit Fortissimo-Ausbrüchen geht der Dirigent äußerst sparsam um. Viel lieber nutzt er die Streicherfülle, um in Ravels „Daphnis et Chloé“ den leisen Passagen eine satte, geradezu buttercremige Geschmeidigkeit zu verleihen. Nicht als Gedankenspiel, sondern ganz sinnlich-lebensprall deutet Chung Ravels „La Valse“: Wellenartig brandet hier die Tanzlust auf, von starkem Puls gerieben, rauschhaft.

Als Solisten haben die Franzosen Ivo Pogorelich mitgebracht, der Chopins 2. Klavierkonzert wie gewohnt mit seiner exzentrischen Persönlichkeit überwölbt. Ihn begleiten zu müssen, wird stets zur Zumutung. Denn er ist ein Gentleman-Gauner der antikonventionellen Akzentuierungen, ein Meisterdieb des tempo rubato, jener subjektiven Kunst des Abbremsens und Anschiebens der Musik also, die die Italiener „geraubte Zeit“ nennen. Pogorelichs Interpretationen sind perfekte Verbrechen. Frederik Hanssen

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