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Begeisterung. Der Pianist David Helfgott auf Tournee.

© Piffl Medien

Doku über den Pianisten David Helfgott: Die Seele fliegt

Sein Leben war die Vorlage zum Oscar-Gewinner "Shine". Jetzt stellt ein Dokumentarfilm den wahren Pianisten David Helfgott vor

Der moderne Konzertbetrieb ist ein Irrsinn. Wenige Stars jetten um die Welt, um zu beweisen, dass sie Stücken gewachsen sind, zu denen jeder eine Meinung hat – den unbestrittenen Meisterwerken der Klassik. Der Druck ist gewaltig, auf der Suche nach einer eigenen Stimme verstummen viele Musiker für immer. David Helfgott war um 1970 ein aufstrebendes Solistentalent, sein Klavierspiel wurde in Witz und Tiefe mit dem von Horowitz verglichen. Für die Darstellung seines Absturzes in die Psychiatrie erhielt Geoffrey Rush in „Shine“ 1997 den Oscar als bester Hauptdarsteller.

Der Erfolg des Spielfilmes half dem wahren David Helfgott auf seinem langen Weg zurück auf die Konzertpodien, die der heute 68-jährige Pianist mit gereckten Daumen erobert. Dabei ist er alles andere als ein perfekter Virtuose: Helfgott singt am Flügel mit, kommentiert sein Spiel ununterbrochen und lässt sich von der Gewalt des vollen Orchestersatzes schon mal davontragen. Doch dieser Mann berührt seine Zuhörer. Überhaupt umarmt er alle Menschen, küsst sie, fragt nach ihren Namen. Auch vor Cosima Lange, der Regisseurin des Dokumentarfilms „Hello I am David“ macht er keinen Halt. Er kann gar nicht anders. Die Welt begreift er wie ein Kind, ohne das Wissen um Schwierigkeiten, voller Begeisterung. Und pausenlos auf der Suche nach Teebeuteln, Cola oder einer Badewanne.

Sein Dirigent durchlebt Schweißausbrüche und Tränen der Rührung

Lange und ihr Team sind dem Pianisten und seiner Frau Gillian auf einer Tour mit den Stuttgarter Symphonikern gefolgt. Immer wieder spielt Helfgott das 3. Klavierkonzert von Rachmaninov, auf dessen Bezwingung vor über 40 Jahren der Zusammenbruch folgte. In „Shine“ wird diese dunkel schwelgende Musik dämonisiert: Ein junger Mann mit dicker Brille tritt an gegen ein Monster, das nur darauf wartet, in die Seele des schutzlosen Interpreten einzudringen, um sie zu zerstören.

„Hello I am David“ rückt diese Perspektive zurecht. Helfgott ist glücklich in seiner „inneren Musik“, wie er sie nennt, und diese Freude ist sein Geschenk an die Welt, verschenkt von einem Mann voller Ticks, der ohne seine geduldige Partnerin verloren wäre, einem Musiker, der seinem Dirigenten Matthias Foremny Schweißausbrüche beschert und Tränen der Rührung entlockt. Selbst in Wien, der zynischen Klassiker-Hochburg, steht der Saal vor Begeisterung.

Das Glück ist fragil, die Musik riskant

Helfgotts leuchtendem Charisma kann sich auch sie Dokumentarfilmerin nicht entziehen. Doch es macht sie nicht blind dafür, wie fordernd die schizophrene Persönlichkeit des Pianisten ist, welche fragile Heimstatt das Glück bei ihm gefunden hat. Die Musik – und dieses Wunder erlebt auch der Zuschauer im Kino – flieht Helfgott nicht, im Gegenteil. Sie fühlt sich verstanden von einem, der die Welt anders wahrnimmt und eine Ahnung davon mit seinem Spiel weitergeben kann. Musik ist riskant, wiederholt Helfgott immer wieder. Dann bringt er strahlend den Check-in am Flughafen zum Erliegen und umarmt die Welt: „Hello I am David“.

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