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Die "Stachelschweine": Berliner Blütezeit des Kabarett

Mit ihrem Namen wollten sie wohl weniger ihre Widerborstigkeit zum Ausdruck bringen, vielmehr pieksten die Pointen der "Stachelschweine" durchaus in die Wohlgefälligkeit der bundesdeutschen wie West-Berliner Nachkriegsjahre.

Berlin - Bereits 1949 gegründet, hat das Kabarettensemble nach einer ersten Heimat im Wilmersdorfer Jazzlokal "Badewanne" und diversen Zwischenstationen 1965 ein eigenes Theater im neu erbauten Europa-Center bezogen. Von dort aus stellte man die junge Demokratie auf den Prüfstand und die jüngste Vergangenheit zur Debatte. Ob die neuen Karrieren von NS-Politikern, der Kalte Krieg, Parteienfilz und Vetternwirtschaft, die deutsche Teilung oder Bonzentum in Ost wie West - die "Stachelschweine" lieferten einen meist beißenden, zumindest aber sehr erheiternden satirischen Kommentar zum politischen Tagesgeschehen und zur deutschen Befindlichkeit.

Nachzuprüfen ist dies nun anhand von acht CDs mit 107 Tondokumenten - Aufnahmen aus den Jahren 1953 bis 1982, die in einer Box im LP-Format samt einem reich illustrierten Buch zur Geschichte der "Stachelschweine" bei Bear Family Records erschienen sind. Die "Stachelschweine" richteten ihren kritischen Blick auf die Folgen des Mauerbaus, aber auch auf die gesellschaftlichen Veränderungen in Gesamtdeutschland.

Herausragendes Kabarettensemble

Dass so viele Sketche und Songs und zum Teil sogar komplette Programme als Tonaufnahme überlebt haben, liegt an der herausragenden Stellung dieses Kabarettensembles in den 60er und 70er Jahren. Auf Augenhöhe mit der Ostberliner "Distel", der Münchner "Lach- und Schießgesellschaft" und dem Düsseldorfer "Kom(m)ödchen" bildete man die Speerspitze des deutschen Kabaretts. Durch die stete Präsenz im Rundfunk und im Fernsehen etablierten sich die "Stachelschweine" zu einer Institution West-Berlins und frechen satirischen Stimme der Bonner Republik. Nicht zuletzt auch durch seine weit über die Stadtgrenzen hinaus verehrten und bekannten Stars: Wolfgang Gruner, Günter Pfitzmann, Achim Strietzel, Klaus Havenstein oder auch Inge Wolffberg.

Die Porträts der berühmt gewordenen Ensemblemitglieder schmücken auch heute noch das Foyer des Theaters im Tiefgeschoss des Europa-Centers. Die herausragende Stellung aber in der Kabarettszene haben die "Stachelschweine" schon vor langer Zeit verloren. Dennoch ziehen der Ruhm vergangener Tage und der Klang des legendären Namens auch heute noch vor allem Touristen in das kleine Theater in der Tauentzienstraße. Derzeit steht dort das Programm "Klassenkrampf" auf dem Spielplan. (Von Axel Schock, ddp)

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