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Kultur: Die Tragödie in der Groteske. Die Groteske in der Tragödie

Das Stück handelt von einem Jungen und einem Mann. Der Mann verführt den JungenKerstin Decker Ein frühes Fassbinder-Stück.

Das Stück handelt von einem Jungen und einem Mann. Der Mann verführt den JungenKerstin Decker

Ein frühes Fassbinder-Stück. Ein französischer Film. Das Stück handelt von einem Jungen und einem Mann. Der Mann verführt den Jungen. Dafür liebt der Junge den Mann. Das Stück ist sehr dramatisch. Der Film ist auch sehr dramatisch.

Und sagenhaft komisch. Das rettet den Film - vor Fassbinder? So spät ist es also schon. Fassbinder, ein Klassiker, dem man das Rückgrat bricht, um ihn wieder lebendig zu machen. Regisseur François Ozon läßt fast alles, wie es war: das Kammerspielhafte (vier Akte), die Orte, sogar die Zeit.

Mittlere sechziger Jahre also. Gibt es das Drama in den mittleren Sechzigern? Ein Drama dort, wo schon ein Fön aussieht wie ein fehlkonstruiertes Düsenflugzeug und sich genauso anhört? Ein Drama zwischen Flokati-Teppichen und Küchen-Wanduhr - und jedesmal, wenn der gealterte Verführer lächelt, ist er Karel Gott (umwerfend seifig: Bernard Giraudeau). In der Badewanne aber sitzt Franz (Malik Zidi), der Junge, der nun schnell, tödlich schnell erwachsen wird, und rezitiert die Loreley. Karel Gott als Diktator und die Loreley. Der Tod des Dramas? Fassbinders Tod?

Die Lust am Zerstörerischen, an der Kälte, der Destruktion des Scheins teilt Ozon mit Fassbinder. Nur dass die Personen inzwischen selbst scheinhaft geworden sind. Liebe, für Fassbinder ein anderes Wort füs Sterbenmüssen. Ein anderes Wort für das Spiel von Macht und Unterwerfung. Ozon zeigt das mit - soll man sagen - ebenbürtigem Genuß? Aber eben in den Sechzigen. Ausschweifung und Konvention, die gegensätzlichen Planeten, hier sind sie ungetrennt. Der junge Franz (das alter ego Fassbinders?), von einem Tag auf den anderen ist er die perfekte Hausfrau. Führt sein kaum entdecktes Leben zwischen Bett des Karel-Gott-Mannes, Staubsauger und Küche. Tragödie oder Groteske?

Und wie sich das emporschraubt, wenn jetzt noch die Frauen hinzutreten (wunderbar girrend weibchenhaft: Anna Thomson und Ludivine Sagnier)! Der Film ist ein hochartistischer, präziser Zwitter: Die Tragödie in der Groteske. Die Groteske in der Tragödie.Heute 20 Uhr (International), 23.45 (Royal)

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