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Kultur: Die Unglücksbraut

Die Kammeroper Schloss Rheinsberg spielt Dvoraks „Rusalka“ als Märchenfantasie

Ach, Rusalka, du blasse, kühle Schöne. Wie viel Glück hast du dir versprochen von deinem Aufbruch, weg vom stickigen, nassen Kerker deines heimischen Sees hin zum Glanz der Sonne, zu den Menschen, dem Prinzen. Und wie wenig davon ist eingetreten, weil die Menschen fehlerhaft sind. In der jüngsten Premiere der Kammeroper Schloss Rheinsberg gelingt es der Australierin Katja Webb, etwas von der Aura dieser unglücklichen Nymphe aus Dvoraks bekanntester Oper einzufangen. Bleich und scheu, zerbrechlich und schön, beseelt mit Jungmädchenträumen. Und dann: Das Mikroport ist überfordert, ausgerechnet bei ihr, ausgerechnet beim „Lied an den Mond“. Jedes Mal, wenn der Techniker den Regler hochschiebt, knistert es, der Auftritt ist ruiniert.

Doch Nymphen sind stark, Webb bittet trotzig, mit schimmernd hellem, höhenstarkem Sopran, den Mond darum, ihr bei der Suche nach dem Geliebten zu helfen. Ein technisches Versagen, ärgerlich und doch auch ein Zeichen. Denn Rusalka ist diejenige, die das Unglück anzieht, Außenseiterin, Fremde in der eigenen Familie, Verräterin.

Es bleibt der einzige wesentliche Makel einer Produktion, die zu den besseren in Rheinsberg zählt. „Rusalka“ erlebt zur Zeit eine kleine Renaissance. Uwe Sochaczewsky greift sie am Pult der Brandenburger Symphoniker mit feinen Händen auf, führt die Streicher zu duftendem, die Bläser zu herzhaftem Klang, lässt es auch zu, dass sich die Musik in den dunklen Wasserabgründen, die hier immer auch zugleich Seelenabgründe sind, verliert, um gleich darauf, etwa in der Ballszene, die Zügel wieder fest anzuziehen. Regisseur Detlef Soelter verzichtet darauf, „Rusalka“, wie zuletzt bei Stefan Herheim und Martin Kusej, freudianisch-sexualpathologisch oder als Kritik an der spätbürgerlichen Gesellschaft zu deuten. Er zeigt schlicht ein Märchen, karger allerdings als zuletzt Barry Kosky an der Komischen Oper. Ausstatterin Martina Feldmann platziert nur einen einsamen Korbsessel mittig auf die Bühne, in dem die Hexe Ježibaba kurz sitzt, bevor sie sich daran macht, Rusalka den Fischschwanz (hier: das grüne Kleid) auszuziehen und in einen Menschen zu verwandeln. Dann wird es voller, ein schmiedeeiserner Pavillon kommt ins Spiel, ein goldener Käfig, in dem Rusalka ihre Zeit am Hof verbringt. Sie trägt jetzt den gleichen, ausladenden Reifrock wie ihre Gegenspielerin, die fremde Fürstin (prägnant und scharf: Nana Cherkeziya), nur dass er bei ihr in Weiß, bei jener in feuriges Rot getaucht ist – unübersehbarer Verweis auf die beiden Frauenbilder, zwischen denen der Prinz zerrissen wird: Hure und Heilige, Venus und Elisabeth.

Soelter nutzt die Tiefe des Heckentheaters stärker als frühere Rheinsberg-Aufführungen, lässt Darsteller auch von ganz hinten auftreten. Trotzdem zeigt auch er zu viel Respekt vor der Schönheit der Naturkulisse. Viele Inszenierungen gleichen sich: Bäume, Hecken und ein paar Requisiten. Da braucht es starke Sänger-Darsteller, um dagegen anzuarbeiten, jemanden wie Kai Wegner. Der Rostocker hat sich in mehreren Kinderproduktionen an der Berliner Staatsoper erfolgreich in skurrile Figuren hineingearbeitet, jetzt gibt er mit gut geöltem, markigem Bass einen berührenden Wassermann. Sein Buckel ist grässlich, seine Drea dlocks so dick wie Würste, aber als liebender Vater, der das Unglück seiner Tochter nicht verhindern kann, singt er sich in die Herzen der Zuschauer.

Doch Rusalkas Deal mit Ježibaba hat bekanntlich keine Rücktrittsklausel, der Prinz stirbt im Todeskuss der immer bleicher, wächsern gewordenen Nymphe, sackt einfach weg zur Seite. Dvoraks Musik beruhigt sich, sinkt hernieder, wie sie begonnen hat, das Wasser deckt alles zu, als ob nichts gewesen wäre. Still liegt der See vor dem Rheinsberger Schloss, und doch fragt man sich beim Heimweg plötzlich, ob er lügt. Udo Badelt

Weitere Vorstellungen am 9., 10. 12. und 13. August.

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