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Kombiniere. Ian McKellen als Sherlock Holmes.

© dpa

"Mr. Holmes" im Kino: Die Wahrheit über den Meisterdetektiv

Was, wenn Sherlock Holmes sein Gedächtnis verliert? Ian McKellen ist "Mr. Holmes", im neuen Film von Bill Condon.

Sherlock Holmes kann nicht sterben. Als sein Schöpfer Arthur Conan Doyle den Meisterdetektiv in den Schweizer Reichenbachfällen versenkt hatte, in einem Engkampf mit dem ewigen Rivalen Professor Moriarty, notiert er in seinem Tagebuch: „Killed Holmes“. Doch der Protest der Fans ist so groß, dass der Schriftsteller seine Figur wiederbeleben muss. Sherlock Holmes darf nicht sterben.

Aber Sherlock Holmes wird alt. In Bill Condons Film „Mr. Holmes“, der auf der Berlinale Premiere feierte, ist er 93, ein immer noch berühmter Mann, der zurückgezogen in einem Landhaus in Sussex lebt. Ian McKellen, einer der besten britischen Charakterdarsteller und auch schon 76 Jahre alt, spielt diesen Greis, dessen Geist langsam verlischt.

McKellen watschelt stockbeinig durch die Kulissen, sein Gesicht ist eine Faltenlandschaft mit mürrischem Ausdruck, aber er lässt seiner Figur ihre Würde. Dieser Holmes, keine Frage, ist ein König Lear, der auch im Untergang seine Größe bewahrt.

Dem Mann, der aus Beobachtungen mittels „Deduktionen“ ganze Kriminalfälle zu enträtseln wusste, entgleitet die Wirklichkeit. Holmes ist dabei, sein Gedächtnis zu verlieren. Die Namen der Menschen, mit denen er spricht, muss er auf seine Manschetten schreiben. Die Lupe braucht er nun zum Lesen, nicht zum Untersuchen von Spuren.

Gerade ist er aus Japan zurückgekehrt, wo er sich „Hire Sansito“ besorgt hat, ein Mittel, das angeblich gegen Senilität hilft. Gefunden hat er es ausgerechnet in den ausgebrannten Ruinen von Hiroshima, eine beklemmende Szene. „Ich bin ins Exil gegangen, um mich zu bestrafen“, weiß er. „Aber warum? Ich kann mich nicht erinnern.“

Die sanfte Dekonstruktion eines Mythos

Wir schreiben das Jahr 1947, es gibt stromlinienförmige Autos, keine viktorianischen Pferdekutschen- und Gaslaternen-Atmosphäre mehr wie in früheren Verfilmungen. „Mr. Holmes“, der einem Roman des US-Schriftstellers Mitch Cullin folgt, ist ein Sequel der Holmes-Saga, die sanfte Dekonstruktion des Mythos. Nein, der Detektiv hat nie die berühmte Deerstalker-Mütze getragen, das war eine Erfindung fürs Kino. Statt Pfeife bevorzugte er Zigarren. Auch die Adresse Baker Street 221 b, angeblich sein Wohnsitz und heute die Adresse eines Museums, ist falsch.

Längst hat sich der Meisterdenker zur Ruhe gesetzt, doch eines lässt ihm keine Ruhe: ein 35 Jahre zurückliegender Fall. Der Gefährte Dr. Watson, sein schon vor 30 Jahren gestorbener Eckermann, hat daraus eine heroische Kurzgeschichte gemacht. Holmes will sie korrigieren und nimmt erneut die Ermittlungen auf.

Aber kann er das noch? Sich erinnern? Kriminalistisch ist der „Fall Munro“ ziemlich läppisch, er handelt von einem besorgten Ehemann, einem Parfüm, das Bienen anlockt, und einer Glasharmonika, mit der sich Tote herbeirufen lassen. Entscheidend ist, dass der Detektiv am Ende mit seinen eigenen Gefühlen konfrontiert ist. Eine Frau hatte ihm angeboten, die Einsamkeit künftig mit ihm zu teilen.

Holmes, das ist die Überraschung, wird in „Mr. Holmes“ menschlich. Der Soziopath, der sein Gehirn wie eine Maschine benutzte und sich vor Emotionen fürchtete, ist nun zu Einfühlung und Empathie fähig, besonders gegenüber seiner manchmal feldwebelhaften Haushälterin (Laura Linney) und ihrem Sohn Roger (Milo Parker), den er in die Geheimnisse der Bienenhaltung einweiht. Fürs Anfangen – so lautet die versöhnliche Botschaft – ist es nie zu spät.

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