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Kultur: Die Welt ist eine große Stadt

Zum 70. Geburtstag des Architekten Albert Speer

Über Erbe und Erben wird dieser Tage am Falle Flick viel geredet; mancher Unsinn ist darunter. Von derlei ist auch Albert Speer nicht immer verschont geblieben. In den USA würde seinem Namen ein „jr.“ anhängen, dergestalt den Unterschied zum Vater bezeichnend. Dass Albert Speer, der Sohn – er feiert heute seinen 70. Geburtstag –, denselben Beruf wie der verhängnisvolle Vater ergriffen hat, nämlich Architekt und Stadtplaner, macht die Sache nicht einfacher.

Oder gerade doch. Denn mit seinem Büro Albert Speer & Partner – das die ersten 17 Jahre nach der Gründung 1964 unter „Speerplan“ firmierte – hat der Sohn sein Berufsfeld von allem Gigantomanischen und Gewalttätigen befreit, das sein Vater stets einsetzte. AS&P – wie das Büro international bekannt ist – hat stets das Unaufgeregte, das im besten Sinne Vernünftige gesucht. „Handschrift“ als Selbstdarstellung ist ihm fremd.

Frankfurt am Main, wo sich der in Berlin geborene Speer, allen weltweiten Ausflügen ungeachtet, stets zu Hause gefühlt hat, wäre heute nicht die geglückte Symbiose aus Hochhaus und Bürgerstolz, hätte Speer der Main-Metropole mit der dichten Konzentration der hochhaussüchtigen Banken sowie der Pflege des Museumsufers auf der „drüberen“ Main-Seite die entscheidenden Leitideen vermittelt. Weniger Erfolg war AS & P im Osten Deutschlands beschieden, wo das Büro nach der Wiedervereinigung zu zahlreichen Gutachten eingeladen, aber kaum einmal zu deren Umsetzung aufgefordert wurde. Auch in Berlin hat Speer kaum Spuren hinterlassen, obgleich er mit großzügigen, aber niemals großspurigen Vorschlägen etwa für das weite Brachland am Ostbahnhof hervortrat.

Im Ausland war Speers Rat stets geschätzt. Im Mittleren Osten entwarf er ganze Städte, dabei islamische Traditionen und westliche Moderne behutsam einander annähernd; so 1977 eine „Diplomatenstadt“ für 35000 Einwohner in der saudischen Hauptstadt Riad. In China fand diese Haltung besondere Beachtung; entsprechend wurden Vorschläge für eine VW-Autostadt im Weichbild von Schanghai sowie für das neue Verwaltungszentrum der flächenmäßig weltgrößten Stadt, Chongqing am Oberlauf des Jangtse, zur Ausführung bestimmt.

Speer gilt seit jeher zuallererst als Stadtplaner; ein Vierteljahrhundert lang hat er das Fach an der Universität Kaiserslautern vertreten. Er selbst versteht sich als „Dienstleister“. Zu welchen Leistungen sein Büro imstande ist, zeigt der Bau des Konferenzzentrums der Organisation für Afrikanische Einheit in Nigerias Retortenhauptstadt Abuja: In nur acht Monaten musste der Komplex 1990/91 hochgezogen werden – und Speer gab ihm mit geschwungenem Dach auch noch eine einprägsame Erscheinung. In Deutschland zu nennen wäre nicht zuletzt das Anfang der Neunzigerjahre errichtete Hetjens-Filmmuseum in Düsseldorf, das die Verträglichkeit von hergebrachtem Maßstab und zeitgenössischer Formensprache beispielhaft vorführt.

Da ist das Erbe seines bewunderten Münchner Hochschullehrers Hans Döllgast – der den Wiederaufbau der Alten Pinakothek leitete – zu erkennen. In der Ausbildung ging Speer den harten Weg über Tischlerlehre und Abendgymnasium. Mit der Architektur seines Vaters, so sagte er einmal, wollte er sich „damals weder beschäftigen noch mich mit ihm darüber auseinandersetzen“. Man kann es nur allzu gut verstehen.

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