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Kämpferherz. Lola Arias untersucht die Wunden des Falkland-Krieges.

© Berlinale

Lola Arias „Teatro de guerra“: Die Wut muss raus

Ensemble ohne Einigkeit: Die Theatermacherin Lola Arias und ihr Debütfilm „Teatro de guerra“ im Forum.

Der Falkland-Krieg ist für die meisten Menschen weit weg. Geografisch, zeitlich und auch hinsichtlich seiner Bedeutung. Ein Scharmützel um Grasinseln, das keine drei Monate dauerte. Who cares? In Argentinien allerdings, erzählt Lola Arias, werden noch heute am 2. April, dem Jahrestag des Kriegsbeginns 1982, die Bilder der Atlantik-Eilande aufgehängt. Und Schüler lernen wie Gedichte die Gründe auswendig, weshalb die Malwinen zu ihrer Heimat gehören – und nicht zu Großbritannien. „Der Krieg ist bis heute eine offene Wunde.“

In ihrem Debütfilm „Teatro de guerra“, der jetzt im Forum der Berlinale läuft, spürt Arias ebendiesen unbewältigten Spätfolgen des Konflikts nach. Den Brüchen, den er in den Biografien hinterlassen hat. Drei britische und drei argentinische Veteranen des Falkland-Krieges treffen aufeinander und stellen ihre Erinnerungen an Kampfmomente und Albtraumszenen nach. Im Studio vor weißer Leinwand, in einem leeren Haus, im Schwimmbad, am Tisch mit Zinnsoldaten. Die Männer spielen Trauma-Theater und überblenden dabei Vergangenheit und Gegenwart. Werfen sich in Gefechtspose. Berichten von der Erschießung eines Feindes, der sich vielleicht ergeben wollte. Schwanken zwischen Heldenerzählung und Absturzbeichte.

Ein artverwandtes Reenactment hat Joshua Oppenheimer in „The Act of Killing“ inszeniert – allerdings ging es bei ihm darum, die Psyche indonesischer Massenmörder zu durchleuchten. Arias hingegen rückt die Begegnung ehemaliger Feinde in den Fokus, die als Ensemble eine utopische Gemeinschaft bilden – ohne dass Einigkeit behauptet werden müsste. Einmal sieht man die Briten in einer Bar, wo sie auf das gesamte Projekt schimpfen und mutmaßen: „Es geht hier nur um das Leid der Argentinier, seien wir doch ehrlich.“

Es geht nicht darum, was wahr ist

Lola Arias ist in Berlin als Theatermacherin bekannt. Sie hat zu Zeiten der Lilienthal-Intendanz viel am HAU gearbeitet, wo ihre Projekte „Traum mit Revolver“ oder „Ciudades Paralelas“ ( mit Rimini Protokoll) Premiere feierten. Im Herbst 2016 brachte sie am Gorki-Theater das Stück „Atlas des Kommunismus“ heraus, für das sie Laiendarsteller mit DDR-Biografien versammelte. „Mich interessiert die Arbeit mit persönlichen Geschichten im Kontext großer historischer Zusammenhänge“, sagt Arias.

Dabei geht es eben nicht um die Frage, was wahr ist und was nicht. Auch wenn Arias mit dokumentarischem Material arbeitet, ist sie als Künstlerin am Werk. Wie in ihrem Stück „Mi Vida Después – Mein Leben danach“, in dem sechs Schauspieler das Leben ihrer Eltern im Argentinien der 70er Jahre nachstellten, zu Zeiten der Militärdiktatur. Die Fiktion lässt sich dabei nie ausblenden. Warum auch?

Ein Still aus Lola Arias' Film.

© Berlinale

„Teatro de guerra“ geht auf ein Projekt zurück, an dem Arias 2014 in London teilgenommen hat. Sie entwickelte dafür fünf Videoinstallationen, in denen argentinische Veteranen ihre Erlebnisse an ihrem heutigen Arbeitsplatz nachspielen. Ein Psychologe in der Klinik, ein Opernsänger im Theater. Angestoßen dadurch erwachte ihre Neugier, welche Erinnerungen wiederum britische Soldaten an den Falkland-Krieg hätten. Es entstand das Theaterstück „Minefield“, das am Royal Court Theatre in London Premiere feierte und seitdem erfolgreich um die Welt tourt – mit den gleichen Protagonisten, die man nun auch im Film sieht.

Für Arias ist „Teatro de guerra“ aber kein Blick hinter die Kulissen des Theaters, sondern ein paralleles Projekt, das die Perspektiven von „Minefield“ erweitert. Die Arbeit mit den Männern, die Arias nun seit Jahren beschäftigt, war nicht leicht. „Es hat etwas von einer Therapiegruppe“, räumt die Künstlerin ein. „Man teilt so intime Dinge, dass man sehr behutsam sein muss, sehr geduldig.“ Es gab Streit, die ehemaligen Kämpfer tragen viel Unbewältigtes mit sich. Marcello, einer der argentinischen Veteranen, erzählt im Film, dass er nach dem Krieg nicht mal mehr englische Musik hören konnte, ohne auszurasten. „Diese Wut muss man kanalisieren, sonst killt sie einen“, so Arias.

Rechtsstreit mit Ruben Östlund

Was den Film so großartig macht, ist die Tatsache, dass die Regisseurin nie auf ein konkretes Resultat gezielt hat, etwa: die große Versöhnung ehemaliger Feinde. So naiv ist Arias nicht. Was sie übrigens von der Lola Arias unterscheidet, die Ruben Östlund in seiner Kunstbetriebssatire „The Square“ vorkommen lässt. Kein schönes Thema für Arias, sondern Gegenstand eines Rechtsstreits. Östlund habe, berichtet Arias, ihren Namen ohne Genehmigung verwendet. Die titelgebende Installation – eine Freifläche, auf der sich jeder human verhalten soll – stammt natürlich auch nicht von ihr, sie ist fiktiv. Aber seit „The Square“ die Goldene Palme gewonnen hat, wird Arias beständig auf „ihr Werk“ angesprochen.

Erfreulicheres steht bevor, die Fortsetzung der „Minefield“-Tour. Die wird nach Brasilien führen, in die Schweiz, nach Japan. Das Interesse ist enorm. Nicht an der Vergangenheit, sondern an der Gegenwart von Geschichte.

17.2., 20 Uhr (Colosseum 1), 19.2., 12.30 Uhr (Arsenal 1), 22.2., 22 Uhr (Cubix 9)

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