zum Hauptinhalt

Kultur: "Die Zofen": Der lange Bart der Gebieterin

Jean Genet wünschte sich, dass seine "Zofen" von Männern gespielt werden. Diesem Wunsch ist Yoshi Oida nachgekommen.

Von Sandra Luzina

Jean Genet wünschte sich, dass seine "Zofen" von Männern gespielt werden. Diesem Wunsch ist Yoshi Oida nachgekommen. Der japanische Regisseur legt in Berlins Haus der Kulturen der Welt eine Neuproduktion vor, die drei Tänzer unterschiedlicher Herkunft zusammenbringt: Der Brasilianer Ismael Ivo ist mit seiner Version eines Tanztheaters hier zu Lande ein Star. Koffi Kôkô aus Benin hat eine Bewegungssprache entwickelt, die in afrikanischen Ritualen wurzelt. Der aus der Türkei stammende Ziya Azazi bezieht sich auf die Tradition der orientalischen Derwische. Allen drei Performern ist eigen, dass sie sich auf rituelle Formen beziehen.

Das mörderische Bühnenritual lässt Yoshi Oida vor einem politischen Hintergrund spielen. Und dennoch ist diese Inszenierung seltsam kraftlos, geradezu harmlos. Ismael Ivo und Koffi Kôkô betreten als Sträflinge in Drillich-Anzügen die Bühne, begleitet von einem Wärter in grüner Uniform, der vernehmlich mit dem Schlüsselbund klappert. Eine Strafkolonie à la Genet oder ein Abschiebeknast. Sogleich drängt sich das Anliegen des Regisseurs auf: Er liest die "Zofen" als Stück über die Unterdrückung der Schwarzen. Das ritualisierte Spiel als Herrin und Sklavin soll dadurch an Brisanz gewinnen. Doch was hier zu sehen ist, ist nur Theater, nur ein effektvolles Spiel mit Rollen, Requisiten und Symbolen - von dem Brasilianer João de Bruço mit Live-Musik begleitet. Koffi Kôkô streift sich rote Gummihandschuhe über, schwingt Kehrblech und Besen triumphierend - eine Domestikin, die nichts Unterwürfiges an sich hat. Ivo gibt die Madame, schmückt und spreizt sich. Gefällt sich in eitlen Posen. Beide Dienerinnen probieren Damenhüte auf, parodieren madamiges Gehabe, karikieren weibliche Koketterie und Gefallsucht. Wer hat den Hut auf? Das wird als lustig-alberne Clownsnummer dargeboten. Keuchend und schwitzend umklammern die beiden einander. Eine Zeremonie des Hasses und auch des Selbsthasses soll nun dargeboten werden. Das Fatale dieser gegenseitigen Spiegelung als Gebieterin und Domestikin bleibt aber Behauptung.

Der Auftritt der Herrin - eine Orgie in Rot. Ziya Azazi ist in üppige Stoffmassen gewickelt wie in Insignien einer fadenscheinigen Macht. Die bärtige Gebieterin hat zuallererst mit ihrem prunkvollen Kostüm zu kämpfen. Dann bespringt und befummelt sie ihre hübschen Sklaven, die mit einem Schlag eine unterwürfige Grimasse aufsetzen. Azazi muss sich mächtig verausgaben, heiser brüllen, zwischendurch immer wieder sein Können demonstrieren, kleine Kunststückchen wie im Zirkus, hier ein Handstand, da ein Salto. Ein angestrengter Kraftakt, der nichts von der Dialektik von Herrschen und Beherrscht-Werden verrät. Und die Schönheit des Verbrechens? Ivo bietet sich seinem Gefährten als williges Meuchelopfer an. Nach der Tat zeigt Koffi Kôkô einen Tanz der Ekstase. Schön anzusehen, aber kündigt sich hier der Geist der Revolte an?

Die Schönheit und das tänzerische Können seiner Performer stellt Oida aus. Feiert den männlichen Körper, dies allerdings auf recht zaghafte Weise. Er unterschlägt die (homo-)erotische Faszination dieses Rollenspiels. Wer hat Angst vorm schwarzen Mann? Um diese Frage mogelt sich der Abend herum.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false