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Kultur: Die zweite Haut

Zum ersten Art Forum vor zweieinhalb Jahren schaute er noch einmal vorbei am Stand der Galerie, die seinen Namen trug: Rudolf Springer, hochbetagt, vom Alter gezeichnet, der es partout nicht lassen mochte.Man schüttelt seine zweite Haut, zu der ein glücklich gewählter Beruf werden kann, eben nicht so einfach ab, selbst wenn die körperliche Verfassung längst eine andere Sprache spricht.

Zum ersten Art Forum vor zweieinhalb Jahren schaute er noch einmal vorbei am Stand der Galerie, die seinen Namen trug: Rudolf Springer, hochbetagt, vom Alter gezeichnet, der es partout nicht lassen mochte.Man schüttelt seine zweite Haut, zu der ein glücklich gewählter Beruf werden kann, eben nicht so einfach ab, selbst wenn die körperliche Verfassung längst eine andere Sprache spricht.Und doch war es einer seiner letzten öffentlichen Auftritte.Seitdem hat Rudolf Springer, der heute seinen neunzigsten Geburtstag feiert, sich endgültig zurückgezogen, in sein Haus in Zehlendorf oder nach Südfrankreich, wo er die angeschlagene Gesundheit kuriert.Aber was will das schon heißen, "endgültig", bei einem solchen Galeristen?

Für alle, die neu in der Stadt sind oder den Namen Rudolf Springer tatsächlich zum ersten Mal hören sollten: Er ist einer derjenigen, die der Kunst nach Naziherrschaft und Zweitem Weltkrieg die Würde zurückgaben.Zunächst arbeitete er eine Weile als Geschäftsführer der im August 1945 gegründeten Galerie Gerd Rosen.Drei Jahre später nahm der aus einer alteingesessenen Berliner Verlegersfamilie stammende Springer seine eigene Galerietätigkeit auf, zunächst am Kurfürstendamm, ab Anfang der sechziger Jahre dann in der Fasanenstraße 13 - dort, wo heute sein Sohn Robert und dessen Partner Gerald Winckler, zumindest ideell, das Erbe des Vaters fortführen.Hans Uhlmann, im Dritten Reich verpönter Konstruktivist, war der erste Künstler, den Springer vertrat.

Unzählige weitere folgten.Informel, Art Brut, Neue Figuration, Foto- und Aktionskunst, in der Galerie von Rudolf Springer spiegelte sich die Kunst der Zeit, wobei er sich im Zweifelsfall stets von seinen subjektiven Vorlieben leiten ließ.Viele der Maler und Bildhauer, die der Hausherr im Lauf der Jahre ausstellte, sind inzwischen zu Größen von internationalem Format gereift: Georg Baselitz etwa oder der Däne Per Kirkeby zählen dazu.Aber Springer interessierte sich auch für Außenseiter, für den verstiegenen Schröder-Sonnenschein oder den wundervollen Zeichner und Poeten Tomas Schmit.

Doyen, Grandseigneur, Primus der Berliner Kunstszene, man hat viele Namen für ihn gefunden, im Grunde aber immer das gleiche gemeint: Springer, der Künstlerpersönlichkeiten präsentierte, ist selber eine.Im Berliner Telefonbuch findet man Rudolf Springer mit dem Zusatz "KunstHld.".So ist die Post, und so ist er: Seine zweite Haut wird er nicht mehr los.

ULRICH CLEWING

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