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Einige Mitglieder des Kammerorchesters mit Konzerstmeister Gabriel Adorján (2. v.r.), auf der Freitreppe des Konzerthauses am Gendarmenmarkt.

© Dirk Lange/Kammerorchester

Deutsches Kammerorchester Berlin: Die Zwischenspieler

Ost und West, Barock und New Age: Das Deutsche Kammerorchester Berlin überwindet gern Grenzen. Das ist kein Wunder: Das Orchester ist so alt wie der Mauerfall und feiert jetzt seinen 25. Geburtstag.

„Musik ist eine internationale Sache“, findet Gabriel Adorján. Seit zehn Jahren ist der 1975 geborene Geiger Konzertmeister des Deutschen Kammerorchesters Berlin, das wie kaum ein anderes Ensemble für die Überwindung von Grenzen steht. Von Anfang an war das so, ist das Orchester doch so alt wie der Mauerfall. Gleich nach der Wende 1989 vom Dirigenten Fritz Weisse gegründet, brachte es zunächst Musiker aus beiden Deutschlands zusammen. Ob Ost oder West, sie kamen von überall hier. Nach und nach wurden es immer mehr Mitglieder aus dem vormals geteilten Berlin; anfangs auch mit Laien bestückt, bildete sich ein fester Kreis aus hiesigen Berufsmusikern heraus. Heute ist das Ensemble eine feste Institution in der Stadt. Wobei nur noch wenige Musiker gebürtige Berliner sind, die meisten sind Wahlberliner.

Dirk Beiße ist seit 21 Jahren dabei. Der Cellist, einer der Dienstältesten im Kammerorchester, arrangiert auch Stücke für seine Mitmusiker. Die Arbeit im Kammerorchester schätzt er sehr: „Man kann sich mit seinen Ideen wesentlich besser einbringen als in einem Sinfonieorchester. Das ist fast schon ein bisschen erholsam.“ Gabriel Adorján, im Hauptberuf Erster Konzertmeister an der Komischen Oper, ist vor allem von der Begeisterungsfähigkeit des Orchesters angetan: „Die Lust am Musizieren ist wahnsinnig groß.“ Die Musiker sind stolz auf die 25-jährige Tradition als eines der wichtigsten Kammerorchester der Hauptstadt.

Gabriel Adorján ist Konzertmeister und künstlerischer Leiter. Aber es entscheidet die Orchesterversammlung

Stolz sind sie auch darauf, dass sie die nicht immer leichten Zeiten oft ohne Chef gemeistert haben. Entscheidungen werden in der Orchesterversammlung vor jeder Saison diskutiert, einen festen Chefdirigenten gibt es seit dem Ausscheiden von Fritz Weisse nicht mehr. Gabriel Adorján sorgt als Konzertmeister und künstlerischer Leiter gemeinsam mit Geschäftsführerin Julia Böhmer dafür, dass die Entscheidungen umgesetzt werden. Zum Beispiel die Verpflichtung von Gastdirigenten und die Profilierung des Programms. Ohne besondere Ideen für die Spielzeitgestaltung geht es in der Klassik-Metropole Berlin nun mal nicht.

Weil die sieben staatlich subventionierten Opern- und Konzertorchester der Stadt in erster Linie das große sinfonische Repertoire von der Romantik bis zur Moderne anbieten, locken die schier unzähligen freien Ensembles ihr Publikum mit populären Best-Of-Klassik-Programmen oder besetzen spezielle Nischen. Trotzdem sind sie oft schwer auseinander zu halten: Das Berliner Residenz-Orchester veranstaltet Perückenkonzerte im Schloss Charlottenburg, nicht zu verwechseln mit dem Residenzorchester Berlin des Norwegers Jon Bara Johansen. Da existiert Stefan Beviers Barock-Orchester Berlin neben dem Deutschen Barockorchester Berlin und dem Neuen Barockorchester Berlin. Da gibt es das bereits 1945 gegründete Kammerorchester Berlin, die seit 1990 bestehende Kammerphilharmonie Berlin und das Philharmonische Kammerorchester Berlin, das aus der 2002 entstandenen Berliner Kammerphilharmonie hervorging. Schöne musikalische Unübersichtlichkeit!

Das Deutsche Kammerorchester Berlin will zwischen Mainstream und Experiment unterwegs sein

Das Spektrum ist groß: Auf zeitgenössische Kompositionen konzentrieren sich das Ensemble Mosaik, das Kammerensemble Neue Musik Berlin oder das Zafraan Ensemble. Das renommierte Kammerorchester Carl Philipp Emanuel Bach hatte zum Bedauern vieler Fans seine Konzerttätigkeit im Mai eingestellt, nach 45 Jahren. Sehr aktiv ist weiterhin Andreas Peer Kähler mit seinem auf Kinderkonzerte spezialisierten Kammerorchester Unter den Linden. Etliche Formationen sind de facto Privatensembles ihrer Gründer, für andere haben sich Mitglieder der großen Orchester zusammengeschlossen, um Kammermusikprojekte zu realisieren. So ist es auch im Fall der Berliner Barock-Solisten, die sich aus den Reihen der Berliner Philharmoniker rekrutieren.

Beim Deutschen Kammerorchester versucht man es mit dem goldenen Mittelweg. „Wir wollen zwischen Mainstream und Experiment unterwegs sein“, sagt Cellist Beiße. „Es muss uns und dem Publikum einfach gefallen.“ So steht zum Beispiel der englische Barockkomponist Henry Purcell auf dem Konzertprogramm, aber auch ein Zeitgenosse wie Philip Glass. Eine Ausnahme bilden die traditionellen Familienkonzerte am zweiten Weihnachtsfeiertag, mit eher populären Werken von Bach und Vivaldi.

Das Kammerorchester mag ungewöhnliche Orte. Seit 2013 wird regelmäßig das Stattbad bespielt, ein zum Kulturzentrum umgebautes Schwimmbad in Wedding, zusammen mit Gästen wie Daniel Hope. Das Konzept kommt an, bei Veranstaltungen im Stattbad fragen Besucher regelmäßig nach den nächsten Terminen. Die Berliner sind ohnehin angetan vom Ensemble – es zählt rund 500 Abonnenten, die sechs bis sieben Konzerte pro Saison besuchen. Und auf Tournee geht das Kammerorchester ebenfalls: Anfang 2014 gastierte es in Südkorea, mit Stationen in fünf Städten. Auch in Spanien, Italien und Russland waren die Musiker bereits unterwegs.

Bleibt die Sache mit dem Nachwuchs. Zum Jubiläumsjahr bietet das Ensemble ein Abo extra für die Generation U 25; das Programm der aktuellen Spielzeit ist ganz auf Vielseitigkeit ausgerichtet. Geschäftsführerin Julia Böhmer hat namhafte Gastsolisten verpflichtet, darunter den Cellisten Maximilian Hornung und Matthieu Gauci-Ancelin, Soloflötist an der Komischen Oper. Auch Geigenstar Daniel Hope gibt sich wieder die Ehre. Das Jubiläumskonzert am Dienstag, unter anderem mit Beethovens Vierter, dirigiert der Bremer Generalmusikdirektor Markus Poschner, dem das Orchester seit 12 Jahren verbunden ist. Seit seiner Zeit als junger Kapellmeister an der Komischen Oper.

Das Jubiläumskonzert des Deutschen Kammerorchesters Berlin findet am 23. September um 20 Uhr in der Philharmonie statt. Informationen: www.dko-berlin.de

Moritz Eckert

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