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Kultur: Diese Nachhilfe macht sehr skeptisch gegen künftige Gemütsangriffe auf das historische Bewusstsein - und etwas freier für die Zukunft

Nachgeben unter Druck ist nicht leicht, aber manchmal verhilft nur Druck zu Einsichten, gegen die man sich lange gesperrt hat. Es war also doch nicht nur eine politisch motivierte Kampagne, wenn Kritiker der Wehrmachtsausstellung immer wieder Fehler oder Versäumnisse vorhielten.

Von Hans Monath

Nachgeben unter Druck ist nicht leicht, aber manchmal verhilft nur Druck zu Einsichten, gegen die man sich lange gesperrt hat. Es war also doch nicht nur eine politisch motivierte Kampagne, wenn Kritiker der Wehrmachtsausstellung immer wieder Fehler oder Versäumnisse vorhielten. Vier Jahre nach dem Start der Schau, die rund 800 000 Besucher gesehen und diskutiert haben, findet Jan Philipp Reemtsma die Größe, die Berechtigung von Kritik einzugestehen, gegen die er zuvor gerne die Juristen bemüht hatte. Mit dem Verzicht auf die Auslandsstation und der angekündigten Überarbeitung tut er nicht nur der historischen Aufklärung einen Gefallen. Die Ahnung, dass die doch vielschichtigen Leistungen des eigenen Instituts im ideologischen Getöse um die Gräuelfotos verschwinden könnten, muss den Hamburgern schon früher gekommen sein.

Denn alle Energie, mit der die Kontrahenten des Ausstellungskrieges sich bekämpften, öffnete keine Perspektive für die Zukunft. Die Debatte passte längst nicht mehr in die deutsche Gegenwart, der andere Wissenschaftler des Instituts mit ihrer Arbeit längst vorauseilen. Eine seltsame Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen machte die Lage so kompliziert: Mit dem Furor und dem agitatorischen Instrumentarium der 68er, die Lebenslügen einer ungeliebten Ordnung widerlegen wollten, hielten die Hamburger den deutschen Soldaten ihre Verbrechen vor und unterstellten ihnen Sadismus. Dass die Wehrmacht Verbrechen begangen hat, stand da bereits in jedem Schulbuch.

Es dauert eben lange, bis das Bewusstsein auf weltpolitische Umbrüche reagiert. Die Schau wurde sechs Jahre nach dem Mauerfall, 1995, zum ersten Mal gezeigt. Aber die westdeutsche Öffentlichkeit schien da noch in der Zeit der Block-Konfrontation zu leben. Der antifaschistische Reflex garantierte, dass höchste Würdenträger der Fotoschau ihren Schutz gaben. Wissenschaftliche Kritik war zwar früh vorgebracht worden, aber sie fand kaum Resonanz: Wer gegen die Schau war, musste ein Rechter sein. Erst zwei Historiker aus Ländern, die durch den Umbruch von 1989 wieder in die Geschichte entlassen worden waren, nämlich ein Pole und ein Ungar, holten mit ihrer Kritik die Deutschen in die Gegenwart. Dass man die Verbrechen des Kommunismus benennen kann, ohne die des Nationalsozialismus relativieren zu wollen, schien tatsächlich manche zu überraschen. Diese Nachhilfe macht sehr skeptisch gegen künftige Gemütsangriffe auf das historische Bewusstsein - und etwas freier für die Zukunft.

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