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Kittelmann

© dpa

Direktor der Nationalgalerie: Kunst ist geistiges Kapital

Udo Kittelmann, neuer Direktor der Nationalgalerie, spricht mit dem Tagesspiegel über Krisen, Konkurrenz und Strategien.

Herr Kittelmann, Ihr Vorgänger feiert zu seinem Abschied ein wahres Ausstellungsfestival. Erschwert Ihnen das den Start?

Es bedarf immer besonderer Anlässe, um ein Feuerwerk zu entzünden. Das Ende von Peter-Klaus Schusters Amtszeit ist ein solcher. Eine Erschwernis für meinen Start sehe ich hierin nicht.

Damit hat er für Sie Tabula rasa geschaffen. Die Häuser müssen nach Ausstellungsende neu eingerichtet werden.

Das ist keine schlechte Ausgangssituation und gibt mir Gelegenheit, die Sammlungen näher kennenzulernen und die Parameter für meine Arbeit zu entwickeln.

Schuster verabschiedet sich mit großer Geste. Gehört das auch für Sie zum Temperament eines Nationalgaleriedirektors?

Na ja, das Temperament ist ja zunächst von der Person und nicht vom Posten abhängig. Ich habe großen Respekt vor Schusters Leistung und vor seiner abschließenden Geste. Er zeigt hiermit auch, über welches Potenzial die einzelnen Häuser verfügen. Wie ein Direktor der Nationalgalerie zu sein hat, kann ich nicht sagen. Ich werde nach meiner Leistung beurteilt werden, und das hoffentlich nicht nach zu kurzer Frist. Gerade die inhaltliche Gestaltung und eine nachhaltige Wirkung setzen Zeit voraus. Ich möchte die Häuser der Nationalgalerie verstärkt zusammendenken.

Unter Ihrem Vorgänger galt das Sammeln von Sammlern als Methode, um Kunst zu erwerben. Was ist Ihre Strategie?

Erst einmal gibt es gar nicht so viele großartige private Sammlungen, die eine für die Nationalgalerie angemessene Qualität besitzen. Aber ich halte es schon für wichtig, mich mit Sammlern zu verständigen, die sich für Kunst leidenschaftlich engagieren. In Frankfurt habe ich wunderbar mit Sammlern zusammengearbeitet, die dem Museum dann auch Schenkungen gemacht haben, ohne dass wir in irgendeine Abhängigkeit geraten wären.

Also sehen Sie auch keine Konkurrenz zu Sammlern, die private Showrooms unterhalten, die Museumscharakter besitzen?

Diese Vielfältigkeit kann man doch nur begrüßen. Eine Konkurrenz gegenüber den öffentlichen Museen kann ich hierin nicht erkennen. Ein öffentliches Museum trägt eine ungemein größere gesellschaftliche Verantwortung, auch hinsichtlich der Vermittlung künstlerischer Inhalte.

Private Sammler können schneller auf aktuelle Tendenzen reagieren. Wie sehen Sie das für ein Museum? Wie viel Zeitgenossenschaft verträgt eine Institution?

Letztendlich nimmt jede Zeit ihre eigenen Gewichtungen vor. Ein Museum für Gegenwartskunst beispielsweise muss sich unbedingt in die jeweils aktuellen Diskussionen einmischen, die sich letztlich auch in der Kunst niederschlagen. Es muss immer am Puls der Zeit sein.

Inwiefern unterscheidet es sich da von einer Kunsthalle oder einem Kunstverein?

Die tragende Säule eines Museums ist seine Sammlung. Im Gegensatz zu Kunsthalle oder Kunstverein ist es kein Ort ausschließlich temporärer Ausstellungen.

In Berlin gibt es ein reiches Geflecht an Institutionen: die Kunstvereine, die neue Kunsthalle, die Kunst-Werke. Wie verorten Sie den Hamburger Bahnhof darin?

Ich wünsche mir natürlich, dass alle diese Häuser miteinander kommunizieren. Da sie alle unterschiedliche Ausgangspunkte und Aufgaben haben, stehen sie in keiner Konkurrenz zueinander.

In der Vergangenheit wurde oft beklagt, dass am Hamburger Bahnhof die vitale internationale Kunstszene Berlins vorüberging. Sie sollen das nun ändern.

Der Hamburger Bahnhof versteht sich als internationale Institution. Somit fällt ihm die Aufgabe zu, den Blick auch über die Grenzen Berlins hinaus zu werfen – wie auch das Geschehen vor Ort zu begleiten, beides in einen Dialog zu setzen.

Wie sehen Sie das Verhältnis zu kommerziellen Galerien? Dort realisieren die Künstler teilweise ambitioniertere Projekte als für das Museum.

Auch hierin sehe ich keine Konkurrenz. Es gibt Galerien, die hervorragende Arbeit leisten. Ich vermag aber nicht zu erkennen, dass Museen weniger ambitionierte und gute Ausstellungen machen.

Ändert sich nicht ohnehin gegenwärtig viel im Kunstbereich durch die Finanzkrise? Ist die Zeit des Glamours vorüber?

Ich glaube, dass wir alle – und das täte dem ganzen Kunstbetrieb gut – wieder konzentrierter auf die Kunst und deren Inhalte schauen sollten. Über die letzten Jahrzehnte sind die Museen in den Sog hineingeraten, immer schneller wechselnde Ausstellungen zu produzieren, die oft kurz darauf wieder in Vergessenheit geraten sind. Das kann nicht der Anspruch eines Museums sein.

Welche Folgen hat die Finanzkrise für Museen, die auf Drittmittel angewiesen sind?

Im Moment kann niemand genau vorhersagen, welchen Einfluss diese Krise auf den Kulturbetrieb haben wird. Es wäre aber fatal, wenn sie dazu führte, dass wir an den wichtigsten Fundamenten unserer Gesellschaft weiter sparen: an Kultur, Bildung und Forschung. Dann verlieren wir weit mehr als bisher, weil wir dann unser geistiges und kulturelles Kapital riskieren. Und das wäre wirklich tragisch.

Für die Nationalgalerie gibt es bereits einen starken Helfer, den Verein der Freunde, der auch Einfluss auf das Ausstellungsprogramm nimmt. Wird es das auch bei Ihnen als Direktor noch geben?

Die inhaltliche Gestaltung geht originär vom Museum aus. Dafür heißt es Unterstützung zu finden, und natürlich sind Impulse willkommen. Mein Eindruck ist, dass es die Freunde genauso sehen.

Der Freundesverein hat eine starke Vermarktung der Ausstellungen vorangetrieben. Ist das auch Ihre Linie?

Ich habe gegenüber einer klugen Vermarktung von Ausstellungen keine Berührungsängste. Oft hilft sie, zunächst unpopuläre Ausstellungen bekannt zu machen.

Die Gastspiele von MoMA und Metropolitan waren Publikumsmagneten. Besteht Gefahr, dass nur Besucherzahlen zählen?

Ich sehe kein Diktat der Quote. Schließlich lässt sich auch nicht jedes Jahr eine MoMA-Ausstellung auf die Beine stellen. Ginge man allein nach der Quote, würde man sich auf Dauer dem jeweils herrschenden Mainstream aussetzen, was einherginge mit dem Verlust inhaltlicher Substanz. Das ist für mich nicht die Aufgabe einer öffentlichen Kulturinstitution. Damit wäre der Bildungsauftrag nicht mehr erfüllt. Das wäre dann so, als würde man in der Schule keinen Goethe mehr lesen, weil die Nachfrage danach nicht mehr gegeben ist. Wo kämen wir denn da hin?

Es gibt drei Häuser und drei Arbeitszimmer für den Direktor: Wo wird Ihr Schreibtisch stehen?

Der Schreibtisch wird zunächst im Hamburger Bahnhof sein. Ich denke gerne aus der Zeitgenossenschaft heraus.

Das Gespräch führte Nicola Kuhn.

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