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Kultur: Diva noch nie da

Barbra Streisand startet in Zürich ihre erste Europatournee

Es war ihr allererstes Konzert überhaupt auf kontinentaleuropäischem Boden, am Montag im Zürcher Hallenstadion. Zuvor hatte es, Sensation hin oder her, einige Diskussionen gegeben. Die Tickets seien zu teuer, hieß es, ihr in Italien geplantes Konzert wurde nach Protesten von Konsumentenschutzorganisationen abgesagt. Der Weltstar rechtfertig die Preise indes damit, dass ein Teil der Einnahmen wohltätigen Zwecken zugute komme. Bei Barbra Streisand kommt zur Bewunderung und zum Geld, das sie in nicht geringen Mengen besitzt, aber noch etwas Gewichtigeres dazu: Die 65-Jährige steht seit über 40 Jahren auf der Bühne, verkörpert ein knappes halbes Jahrhundert Unterhaltungsgeschichte. Nach den „All Time Charts“ hat allein Elvis Presley mehr Platten verkauft als die Streisand, ihr Name kommt noch vor den Rolling Stones und den Beatles.

Das Hallenstadion war schließlich bis fast auf den letzten Platz besetzt. Und über die Ticketpreise sprach auch keiner mehr, als Barbra Streisand in einem langen schwarzen Kleid mit Diamanten und Spitze aus dem Bühnenboden hochgefahren kam und das 58-köpfige Orchester unter Leitung von William Ross einsetzte. „Funny Girl“, das Musical, mit dem sie in den sechziger Jahren am Broadway und später im Kino berühmt wurde, und wofür sie den Oscar erhielt, war der rote Faden des Abends; jenes Märchen vom Mädchen aus einfachen Brooklyner Verhältnissen, das zum Showstar mit fantastischer Stimme und komischer Note wird.

Ihre Bühnenshow ist von bestechender Schlichtheit. Blumenbouquets stehen auf der Bühne, statt Video und Pyrotechnik gibt es ihre überragende Stimme, die wie eine Rakete in den Himmel steigt. Barbra Streisands Organ scheint mit der Zeit eher noch voller geworden zu sein. Ihre Spezialität sind die kleinen Plaudereien mit dem Publikum. Sie liest zwar (fast) alles von einem riesigen Teleprompter am Hallendach (sehr unauffällig) ab, findet aber Wege, den Zürchern sehr spezifischen Zürcher Honig um den Mund zu streichen. Auf der Suche nach schönen Gärten sei sie bei den Zürcher Bratwürsten und beim Apfelkuchen gelandet, erzählt sie. Und sowieso ist diese Stilisierung als gefräßige Großmutter der eine Running Gag des Abends. Der andere betraf ihr Alter. Dazu scherzt sie mit einer sehr jungen Broadway-Männertruppe, dem Ersatz für die Opernknaben von „Il Divo“, die sie auf ihrer USA-Tournee im vergangenen Jahr begleiteten. Dabei spielte sie in zwanzig Konzerten 92 Millionen Dollar ein. Auch in Amerika wurde Streisand, die sich seit Jahren für die Demokraten – und gegen Präsident Bush – engagiert, wegen ihrer Preispolitik kritisiert.

Zum Auftakt ihrer lang erwarteten Europatour singt sie sich nun quer durch ihre Karriere, mit den Höhepunkten „The Way We Were“ und „People“. Nach der Pause kommt sie mit tieferem Ausschnitt und mehr Goldschmuck zurück und erobert das Publikum endgültig mit „Papa Can You Hear Me?“ aus „meinem europäischen Film ,Yentl‘“, bei dem sie 1983 selbst Regie führte und die Hauptrolle spielte. Es ist die Geschichte einer jungen jüdischen Frau, die sich, um den Talmud studieren zu dürfen, als Mann verkleidet.

Ob sie die vier Broadway-Sänger als zeitweilige Verstärkung wirklich braucht, sei dahingestellt. Bei „Somewhere“ aus Leonard Bernsteins Musical „West Side Story“, stört der vokale Vierradantrieb eher. Um die Zugaben „My Shining Hour“, „Don’t Rain On My Parade“ und schließlich „Smile“ aus Charlie Chaplins „Modern Times“ lässt sie sich dann nicht lange bitten. Barbra Streisands späte Landung in Europa ist geglückt, die Zürcher jubeln. Am 30. Juni tritt sie in der Berliner Waldbühne auf. Hier kosten die Tickets bis zu 400 Euro.

Daniela Janser

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