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"Lampedusa-Stuhl" nach einem Enzo-Mari-Entwurf von Cucula.

© V. Bruening

"Do it yourself-Design"-Ausstellung: Avanti Dilettanti

Das Handgemachte ist nicht nur eine Kunst, sondern vor allem eine Haltung. Das Berliner Bröhan-Museum zeigt „Do it yourself-Design“.

Das passt, ja das ist sogar logisch: Berlin, die von ewiger Improvisation geprägte Pleiten-, Pech- und Pannen-Hauptstadt ist zugleich das Zentrum der weltweiten Bewegung der Selbermacher, der sich zusehends professionalisierenden Dilettanten. Das hat nach Lifestyle-Magazinen jetzt auch das Bröhan-Museum in seiner Ausstellung „Do it yourself-Design“ ausgemacht.

Das „Handgemachte hat wieder einen Heiligenschein“, sagt denn auch Direktor Tobias Hoffmann, der die zusammen mit dem MAK Wien entwickelte, eher zeitgenössisch als historisch anmutende Schau kuratiert hat. Und die Liebe des Hipsters zum Selbstgemachten beschränkt sich nicht nur aufs private Guerillagärtnern, Imkern oder Einwecken. Nein, die neuen Missionare des Anti-Industriellen bringen ihre gestalterischen Ideen per Internetdownload und 3-D-Drucker gleich samt Entwurf, Bauanleitung oder Youtube-Lehrfilm in die Welt.

Identifikation mit alltäglichen Dingen

Do it yourself, kurz DIY, ist nicht nur Gestaltung, sondern vor allem auch Haltung. Statt Polsterung und Zierrat tragen die Möbel Moral. In ihrer bewusst rustikalen, rohen, reduzierten Ästhetik der rund hundert Arbeiten schwingt die Konsumkritik ebenso mit, wie der Wunsch nach sozialer Gerechtigkeit, Ressourcen schonender Produktion und gesellschaftlicher Teilhabe. Nichts schafft schließlich mehr Identifikation mit alltäglichen Dingen, als sie selbst zusammenzubauen.

Van Bo le-Mentzels Stühle "Weil" und "Kreuzberg 36".
Van Bo le-Mentzels Stühle "Weil" und "Kreuzberg 36".

© F. Reifferscheidt / S. Köhler

Da haben sie nicht schlecht geschaut im bekannten Möbelhaus aus Schweden. Oder genauer gesagt in dessen Stiftung, die zu den von Hoffmann gewonnenen Unterstützern der erfrischenden Schau gehört. Wie? Die Idee, Möbel zum Zusammenbauen zu verkaufen, stammt gar nicht von Ingvar Kamprad? Nein! Sie war schon vor mehr als hundert Jahren in der Welt. Der stark von der Arts und Crafts Bewegung beeinflusste deutsche Jugendstilgestalter Richard Riemerschmid hat sie 1907 erfunden. Gleich im ersten Raum ist diese Verbindung durch einen seiner leicht demontierbaren Tische, einen ebensolchen Stuhl des vom „Arte- Programmata“-Künstler zum Designer mutierten Italieners Enzo Mari aus den Siebzigern und das fast zeitgleich in Schweden von Gillis Lundgren entworfene „Billy“-Regal belegt. Hier steht auch der „Crate Chair“ des Niederländers Gerrit Rietveld, den er während der Wirtschaftskrise 1934 als Bausatz zur Selbstmontage für sozial Schwache anbot.

Hartz IV-Möbelserie

Wie meist bei Do-it-yourself-Möbelprogrammen, sei es den Designern aber kaum je gelungen, die Ärmeren tatsächlich damit zu erreichen, erzählt Tobias Hoffmann auch mit Blick auf die Entwürfe des Altlinken Enzo Mari. Selbermachen? Auf ungepolsterten Holzbrettern sitzen? Das empfinden eher Leute als erstrebenswert, die über den Luxus Freizeit verfügen und ihr Prestige unter Künstler- und Intellektuellenfreunden heben können, indem sie auf üppige Sofas und Schränke verzichten.

Immerhin: Enzo Maris partizipative Möbelentwürfe verhelfen seit ein paar Jahren der Berliner Flüchtlingswerkstatt „Cucula“ zu viel Erfolg. Deren, teils gar mit Flüchtlingsschiffholz aus Lampedusa gefertigten Stühle, Regale und Kinderbänke sind ebenso zu sehen, wie der dekorativ signalrot lackierte, aber nur aus Sperrholz und einem Kiefernbrett gebaute „Kreuzberg 36 Chair“ aus der Hartz IV-Möbelserie des Architekten Van Bo Le-Mentzel. Auch der gehört zu denen, die auf Anfrage freimütig ihre Entwürfe an Selberbauer verschicken. Einzige Bedingung: Er möchte hinterher informiert werden, wie es mit dem Bauen gelaufen ist.

Der Spaßfaktor ist wichtig

Selbergemachtes ausstellen oder ansehen und nicht zugleich selber machen – das geht ja gar nicht, ist schließlich eine Frage der Selbstermächtigung. Also haben Hoffmann und seine Mitarbeiter kurzerhand einige der gezeigten DIY-Entwürfe – also Sessel, Garderoben, Lampen – im Rahmen eines Sommerworkshops gebaut. Jeden zweiten Sonntag öffnet der Berliner Designer Joachim Kunz seine in die Ausstellung integrierte „Mobile Werkstatt“. Und die zwischen Kunst und Design flottierende, poppige Rauminstallation „A Pervert’s Guide to Design“ von Jerszy Seymour lädt zum Kneten und Bauen ein. In der Mitte eines blauen Raums, in dem reihum bunte Latten lehnen, brodelt ein Minivulkan. Das darin schmelzende, kaugummiartige Kunstwachs ist ein prima Bindemittel. Lustig! Der Spaßfaktor ist wichtig, sowohl bei der historischen Design-Bewegung als auch beim heutigen Lifestyle-Phänomen.

Otto-Sessel von Peter Raacke (1968).
Otto-Sessel von Peter Raacke (1968).

© Pulpo GmbH

Das wird am Ende von der kalifornischen Designerin Lisa Anne Auerbach kritisiert. Sie rechnet in ihrem „Don’t Do It Yourself“-Manifest von 2013 mit der Konsumgüterindustrie ab, die den angesagten DIY-Look in Windeseile antizipiert hat: „Unsere Gesinnung wurde als Geschenk verpackt und an uns zurück verkauft.“

Die Gestalterin prangert die eskapistischen Motive und ästhetischen Folgen der Bewegung an, die sich gerade in Berlin in der verkrachten Bullerbü-Romantik von Strandbars niederschlägt. „Die Idee war gut gemeint, aber ihre Wirklichkeit ist unheimlich.“ Und in der Tat ist auch die allerorten gefährlich gärende Skepsis gegen Institutionen und große Strukturen ein Grund für den Aufschwung des Selbermachens. Auerbach fordert, die Strukturen zu reformieren statt sie zu zerschlagen. Statt der Isolation im heimischen Bastelkeller, der „Armee der Einzelnen“ empfiehlt sie mit Freunden zusammenarbeiten und durchaus Profis anzuheuern. So wird professionelles Produzieren dann doch zum menschenfreundlicheren Konzept.

Bröhan-Museum, bis 29. Januar, Di-So 10-18 Uhr, Infos: diydesignberlin.de.

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