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Doku-Streit: Versuchte Nähe

Das Recht auf das eigene Bild, im Privatleben wissen wir damit umzugehen. Im Zweifel löscht man das unvorteilhafte Foto aus dem Computer. In der Öffentlichkeit ist die Sache komplizierter. Christiane Peitz über den Streit um die Doku "Der entsorgte Vater"

Meinungsfreiheit gegen Persönlichkeitsrecht, das ist eine uralte Fehde. Nicht selten kämpft dabei David gegen Goliath, wie gerade die kleine schwedische Poduktionsfirma „WG-Film“ gegen den Lebensmittel-Multi Dole Food Company. Es geht um den Dokumentarfilm „Bananas“ und den darin erhobenen Vorwurf, nicaraguanische Plantagenarbeiter seien mit Pestiziden vergiftet worden. Aber es gibt noch tragischere Konstellationen.

„Der entsorgte Vater“ heißt ein bewegender Dokumentarfilm von Douglas Wolfsperger, der seit 11. Juni in den Kinos läuft. Er bewegt deshalb, weil der Regisseur nicht nur traurige Fälle von Vätern versammelt, denen der Kontakt zu ihren Kinder untersagt wurde, sondern auch ungeschützt von sich selbst spricht. Nach der Trennung von der Lebensgefährtin und jahrelangen juristischen Auseinandersetzungen darf er seine mittlerweile 11-jährige Tochter nicht mehr sehen, das Gericht verbot es ihm. Der Film ist ein Dokument des väterlichen Schmerzes, eine Flaschenpost an das verlorene Kind.

Kurz nach Filmstart erwirkte die Mutter eine Einstweilige Verfügung gegen die Verwendung eines Fotos, das die damals Dreijährige mit dem Vater zeigt. Gut zwei Sekunden ist das Bild zu sehen. Das Düsseldorfer Landgericht bestätigte am Mittwoch die Verfügung; der Antrag auf Aufhebung wurde abgelehnt. Begründung: Es fehle die schriftliche Erlaubnis für die Veröffentlichung. Und gerade das Persönlichkeitsrecht von Minderjährigen müsse besonders berücksichtigt werden. Einige Kinos haben den bundesweit mit 14 Kopien laufenden Film aus dem Programm genommen. Die anderen haben eidesstattlich versichert, die Stelle zu kürzen. Man tut das wie der klassische Zensor: mit der Schere. Circa 70 Meter seien es, wie Michael Höfner vom Verleih GM-Films erläutert; bei der digitalen Version wird die Passage verpixelt. Noch ist nicht entschieden, ob der Verleih in Berufung geht.

Erschütternde Vorstellung: Ein Mädchen, das im Rosenkrieg der Eltern zum Opfer wird. Der Hass – oder was ist es sonst? – einer Frau auf ihren Ex. Ein Hass, der zur Folge hat, dass der Vater nicht mal ein altes Foto öffentlich zeigen darf, als Unterpfand seiner Zuneigung zur Tochter, nicht mal zwei Sekunden lang. Und am Ende sind da Filmtechniker, die wegen dieser privaten Tragödie einen Zelluloidstreifen zerschneiden.

Kunstfreiheit und Persönlichkeitsrecht: Der Dokumentarfilm wird oft in diese Kampfzone gezerrt. Denn mehr noch als die gedruckte Reportage ist er das Genre schlechthin für versuchte Nähe. Die Verabredung des Porträtisten mit dem Porträtierten besteht im Kern genau darin: Dass er hinter Fassaden schaut, Blößen riskiert, Persönliches preisgibt. Das Recht auf das eigene Bild ist dabei immer schon tangiert. Nicht vor Gericht, aber im Internet beklagen sich derzeit auch die Protagonisten von „Klang der Seele“, Marian Czuras Porträt einer Kompositionsklasse, über ihren „Missbrauch“ in einem „peinlichen Propagandafilm“ für Czuras Sohn, einen der Kompositionsschüler. Hat man sich beim Dreh derart gründlich missverstanden? Nicht schön. Aber es ist nichts gegen das Familiendrama, das im erbitterten Streit um ein acht Jahre altes Kinderbild zutage kommt.

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