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Kultur: Donnerhall als Blechtamtam

Pünktlich um 18 Uhr 48 lud man zum Empfang.Es lud das Bürgerkomitee, welches die Feierlichkeiten zur ersten deutschen Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche vor 150 Jahren ausrichtet.

Pünktlich um 18 Uhr 48 lud man zum Empfang.Es lud das Bürgerkomitee, welches die Feierlichkeiten zur ersten deutschen Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche vor 150 Jahren ausrichtet.Das Volk allerdings, es blieb außen vor, damals wie heute.

Nach dem Konzept von Dieter Rexroth, Intendant des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin, war es in diesem Festkonzert beispielhaft die Kunst, welche sonst so gerne zur staatstragenden Verschönerung solcher Feiern herbeizitiert wird, die die Brüche mit ihren Mitteln offenlegte: Ironischer und betrübter als Wolfgang Rihm in seinem Orchesterwerk "Deutsches Stück mit Hamlet" kann man das nicht sagen: "Und winkt - und winkt - und winkt" singt Renée Morloc in endlosen, immer weiter durch Pausen auseinandergezogenen Wiederholungen und meint damit die "begrabene Freiheit".Rihms Fähigkeit, auch durch solche Eingriffe in die selbstbesorgte Textauswahl aus Bruchstücken von Goethe bis Gottfried Benn und Heiner Müller ein neues Wort-Musik-Amalgam zu schaffen, gewinnt in diesem Auftragswerk des Bürgerkomitees aufs neue faszinierende Überzeugungskraft.Die stimmgewaltige Altistin findet sich mit dem helltönenden Bariton Dietrich Henschel zum ratlos klagenden Duett zusammen.Auf subtile Weise "deutsch", mit vergessener Lieblichkeit unterlegt ist Georg Herweghs Freiheitsschwärmerei, bis zu den Worten "Deutschland ist frei" der Donnerhall als Blech-Tamtam-Klang herniedersaust.Das von Gerd Albrecht geleitete Deutsche Symphonie-Orchester (DSO) ist nicht nur dem Namen nach prädestiniert für die Intensität dieser Uraufführung.Es vollzieht eindringlich die rasenden Rhythmen zu Müllers "Hamletmaschine", die fahlen Geräusche, zu denen Henschel mit verkniffenen Tönen singt: "Du im Wenden kannst dich irren, aber darfst nicht ruhen."

Auch was die Schauspieler Hannelore Elsner und Peter Sodann zu sagen hatten, Benito Marcelino im Pantomimen-Spiel mit schwarz-rot-goldenen Stangen vorführte, ergab ein differenziertes Bild.Schillers "Von der Hoffnung" entspricht Mendelssohns Ouvertüre "Meeresstille und glückliche Fahrt", die bei Albrecht leicht und unprätentiös, in den Streichern beinahe etwas zu zart daherkommt.Denn sie führt - ohne Einigkeit an Bord mit nationalistisch geblähten Segeln - geradewegs in die Katastrophe von 1945, deren Wiederholbarkeit Erich Frieds Gedicht "Was geschieht" behauptet.So eingestimmt läßt sich auch Beethovens "Eroica" nicht mehr als problemlose Selbstvergewisserung der Demokraten hören.Das Pathos zumindest kann Albrecht hier in sehr schlanker, brillanter Darbietung nehmen.Was er jedoch unterschlägt, ist die abgrundtiefe Trauer, in der zu leicht genommenen gequälten Kontrabaß-Linie des "Adagio Assai" - ohne die muß auch die Utopie des innigen Holzbläsergesangs des Finalthemas eben Utopie bleiben.

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