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Dota Kehr.

© Mike Wolff

Dota und ihr neues Album "Keine Gefahr": „Utopien helfen durchs Chaos“

Liedermacherin Dota macht alles selbst und hat Erfolg damit. Ein Gespräch über Pop, Politik, Polstermöbel und ihr neues Album "Keine Gefahr". Am Mittwoch spielt sie im Astra.

Dota, auf Ihrer neuen Platte „Keine Gefahr“ singen Sie: „Man braucht keine neuen Lieder mehr, Funny hat alle geschrieben.“ Warum mussten Sie trotzdem noch mal ran?

Ich glaube, jedem Kulturschaffenden geht das ab und zu mal durch den Kopf: Braucht die Welt jetzt wirklich noch einen Roman, noch ein Bild, noch ein neues Album? Insofern ist das auch ernst gemeint. Aber vor allem bezog es sich auf die Art von Lied, in dem es vorkommt, „Spiegel der Zeit“. Das war eine sehr spontane Idee, ich habe das ganze Lied in einer Viertelstunde runtergeschrieben, und als ich beim Refrain ankam, fiel mir auf, dass es ein bisschen nach Funny van Dannen klingt.

Und das war schlecht?
Nein, ich bin großer Fan. Aber er hat einfach so irre viele Lieder geschrieben. Da kann man schon mal auf die Idee kommen, dass er schon alle geschrieben hat.

Schreiben Sie alle Ihrer Lieder in einer Viertelstunde?
Das ist sehr durchmischt. „Rennrad“, ein anderes Stück auf dem Album, war auch so, 15 bis 20 Minuten von der ersten Idee bis zum Abschluss des gesamten Textes. An anderen Stücken habe ich sehr lange geschrieben. An „Grenzen“ habe ich zwei Jahre gearbeitet.

Vor zehn Jahren haben Sie dem Tagesspiegel gesagt: „Meine Lieder sollen kratzen.“ Sind die dafür nicht viel zu schön, zu melodisch, zu eingängig, auch tanzbar?
In erster Linie bin ich Sängerin. Ich will Musik machen, aus der Liebe zur Musik.

Das könnte ja dann auch Schlager sein.
Vom ersten bis zum letzten Lied die heile popmusikalische Ich-und-du-Welt zu besingen, würde mir nicht reichen. Das lassen auch die Zustände nicht zu.

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Gibt es auf der anderen Seite Themen, Situationen, Weltlagen, wo Sie sagen würden: Hier ist ein Lied jetzt nicht mehr die angemessene Reaktionsform, das ist zu krass für schöne Musik?
Der Krieg in Syrien zum Beispiel. Auch, weil er einfach viel zu kompliziert und undurchdringbar ist. Das ist Stoff für Zeitungsartikel. Ein Lied ist diese kurze Form, die auf den Punkt kommen und ein Bild schaffen muss.

Können Lieder auch zu simpel sein? Zu naiv? Wenn Sie in „Grenzen“ singen, „Ich will einen Pass, wo ,Erdenbewohner‘ drin steht“, würden sicher auch viele sagen: Das ist angesichts der verfahrenen weltpolitischen Lage viel zu einfach gedacht. Wie möchten Sie das verstanden wissen?
Als Versuch, den Blick zu heben aus der aktuellen chaotischen Situation und in Richtung einer Utopie zu gucken. Im Lied heißt es ja auch: „Nennt mich naiv!“ Aber Utopien müssen als Leitsignale da sein, damit man sich in den chaotischen Umständen immer fragen kann: Was wäre jetzt der Schritt hin zu dieser Utopie? Welcher würde eher wegführen?

Damals haben Sie uns gesagt: „Vor 30 Jahren muss es einen Punkt gegeben haben, als alles ganz einfach war.“ Vor nun 40 Jahren wusste man, wer gut ist und wer böse, die alten Nazis hier, die jungen Linken da. Haben Sie das Gefühl, dass es gerade wieder einfacher wird?

Es gibt zumindest eine große Frage, die das Land spaltet. Das hat die Diskurslage übersichtlicher gemacht. Und es gibt ja auch nach wie vor vieles, was daran auch schön ist. Ich war noch nie so froh über Deutschland wie im September, Oktober. Die Hilfsbereitschaft hat mich begeistert und positiv überrascht. Und ich hoffe, dass das hält. Auf der anderen Seite sind die Besitzstandswahrer, die sich immer nur fragen, was sie verlieren könnten.

Haben Sie selbst eigentlich Besitz? Oder anders gefragt: Sind Sie, wie man es ja in Berlin gerne Leuten nachsagt, die mal „Szene“ waren und jetzt älter werden, verspießert?
Ich habe mal ein Polstermöbel gekauft, ein Sofa. Da habe ich mich bestimmt ein Jahr mit rumgequält. Früher hatte man ja immer irgendwelche Sofas von Mitbewohnern. Bin ich jetzt verspießert?

Sofa geht noch. Aber ernsthaft: Ich habe mein eigenes Label, Kleingeldprinzessin. Ich bin also mein eigener Chef, das mag ich sehr. Es gibt keine Routinen, alles ist jede Woche anders. Und ich finde zum Beispiel Schreiben jedes Mal ein total neues Wagnis. Ich sitze jedes Mal wieder neu davor und denke: Wie geht das eigentlich, ein Lied zu schreiben? Und es ist dann wirklich immer anders: Mal schreibe ich erst den Text, mal zuerst die Melodie, mal schreibe ich was schnell runter, mal drehe ich jede Zeile über Monate."Ich singe sehr unprätentiös, nahe an der Sprechsprache"

Dota Kehr.
Dota Kehr.

© Mike Wolff

Trotzdem gibt’s diesen klar erkennbaren Stil, dieses Bossa-Folkige, Trotzig-fröhlich-Nachdenkliche.
Ich denke, da hängt viel an der Stimme. Ich singe ja sehr unprätentiös, nah an der Sprechsprache. Ich könnte prätentiöser singen, aber ich mag so eine gekünstelte Art nicht, Deutsch auszusprechen. Das käme mir nicht über die Lippen. Und dann ist auch der Stil unseres Gitarristen Jan Rohrbach sehr charakteristisch. Das ist ja bei Gitarristen immer so ein Thema.

Wie ist generell das Verhältnis von Bandleaderin und Band? Jetzt heißen die ja nicht einmal mehr Stadtpiraten, wie früher, jetzt heißt alles zusammen Dota, wie Sie.
Die Stücke verändern sich noch einmal ganz wesentlich im Proberaum. Bei diesem Album war es auch das erste Mal so, dass wir Stücke geprobt haben und ich sie danach noch mal bearbeitet habe.

Streiten Sie mit der Band auch um Texte?
Textlich redet die Band gar nicht mit, das wollen die auch gar nicht. Musikalisch ist der Einfluss dafür ziemlich deutlich. Ich finde, das Ganze ist mehr und mehr ein Bandprojekt geworden.

Eines, das alle ernährt?
Mittlerweile leben wir alle davon. Klar, die anderen haben auch andere Projekte, spielen mal hier und da und Jazz und so ...

Haben Sie da manchmal das Gefühl, Sie haben total Glück gehabt?
Ja!

Auch, was Ihre Musikergeneration angeht? Hätte dieses Projekt in den zehner Jahren noch so wachsen können wie in den nuller Jahren? So, dass es, wie jetzt, am Ende ein eigenes Label gibt und Fans, die noch CDs kaufen, und alle können davon leben?
Spannende Frage. Weiß ich nicht. Ich glaube, dass es für jüngere Bands, die ein durchweg sehr junges Publikum haben, schwierig ist, noch physische Tonträger zu verkaufen. Die Tonträger sind es aber letztlich, die uns ermöglichen, gute Studioproduktionen zu machen.

Ihre neue CD „Keine Gefahr“ hat ein dickes Booklet, Bilder, Texte, alles wie in den 90ern. Ist das nicht ein großes Wagnis, so etwas zu stemmen?
Uah, total! Ich habe da schon auch ein paar Nächte nicht geschlafen. Wir haben dafür alles ausgegeben, was wir hatten – und noch mehr!

Bringen Ihnen Streamingdienste wie Spotify schon erkennbare Erträge? Sie machen da ja eingeschränkt mit, stellen eine Auswahl an Liedern.
Es kann sein, dass ich von der Ausschüttung mittags mal was essen gegangen bin. Vielleicht auch mit der Band. Die Kosten dafür deckt es in etwa, ja.

Apropos: Ist Ihr ganz persönliches Berlin eigentlich noch halbwegs bezahlbar?
Als alteingesessene und gut vernetzte Berlinerin hat sich für mich persönlich durch die Gentrifizierung – die natürlich eine Gefahr ist, nicht zuletzt für die Kunst- und Kulturszene – noch nicht so viel verändert. Wir haben sogar einen finanzierbaren Proberaum in Kreuzberg.

Wäre er finanzierbar auch für Bands, die nicht gerade in den Top 20 der Albumcharts stehen?
Es ist echt im Rahmen!

Das Gespräch führte Johannes Schneider. Konzert: 10. Februar, 20 Uhr, Astra.

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