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Kultur: "Dreckfresser": Der Bulle sitzt

Dreckfresser: So nannte sich Sam Meffire selbst. Berühmtester Polizist Sachsens: So nannten ihn andere.

Dreckfresser: So nannte sich Sam Meffire selbst. Berühmtester Polizist Sachsens: So nannten ihn andere. Aber das ist schon eine Weile her. Denn Sam Meffire, der Gesetzeshüter, wurde selbst zum polizeilichen Ermittlungsobjekt. Zurzeit sitzt er im Gefängnis, verurteilt wegen Raubes zu zehn Jahren.

Doch nicht dieses Schicksal machte Meffire berühmt, sondern seine Hautfarbe. Denn Sam Meffire ist schwarz. Er sieht gut aus. Und er ist gebürtiger Sachse. Drei Eigenschaften, die ausreichten, den Polizisten zum Protagonisten einer Werbe-Kampagne zu machen, die dem Rest der Republik nach den rassistischen Übergriffen von Hoyerswerda und anderswo ein multikulturelles und weltoffenes Sachsen präsentieren sollte. Die ganzseitigen Fotoanzeigen in der "Sächsische Zeitung" brachten ihm eine kurze Medienkarriere: Eine Seite-Drei-Geschichte in der "SZ", ein Bericht im "Stern".

Schon bald aber eckte der Vorzeigepolizist mit seinen unkonventionellen Ideen in der Behörde an. Ein bisschen stieg ihm wohl auch der schnelle Ruhm zu Kopfe. Bald wurde er geschasst - und nahm die Gerechtigkeit in die eigene Hand. Gründete eine Sicherheitsfirma. Übernahm Inkassodienste, auch gewaltsam. Es folgten Raubüberfälle und Flucht. Schwer krank stellte er sich und legte eine Generalbeichte ab. Seitdem sitzt er im Knast und schreibt.

Die Geschichte ist wahr. Dokumentiert hat sie die 1969 in Lagos/Nigeria geborene dffb-Absolventin Branwen Okpako in ihrem Abschlussfilm "Dreckfresser", einem Film, der klassische Interviewsequenzen mit assoziativen Bildern mischt. Okpako trifft sich mit dem sächsischen Innenminister Eggert und dem damaligen "SZ"-Autor Di Lorenzo, mit Werbeleuten und Freunden, Meffires Mutter und Ex-Kollegen. Und trifft Meffire im Gefängnis, einen sympathischen jungen Mann, der freimütig aus seinem Leben berichtet - von den ungeklärten Todesumständen seines afrikanischen Vaters, von einer Kindheit, die auch zu DDR-Zeiten schon geprägt war von rassistischen Übergriffen, von einer Lehrerin, die ihn dagegen nicht schützen konnte. Bis ihn der Wunsch nach Gerechtigkeit zur Polizei brachte.

Knifflig: "Dreckfresser" will nicht nur ein Porträt Meffires sein, sondern ein Stück Medienkritik. Leicht gerät solch ein Projekt in die Nähe dessen, was es kritisiert. Die Regisseurin weiß das und tritt die Flucht nach vorne an: in die Überidentifizierung mit dem Opfer. Folglich lässt sie Meffire merkwürdig eindimensional erscheinen. Jene Überidentifizierung führt - neben einer gewissen handwerklicher Unsicherheit - wohl auch dazu, dass Okpako ihr Material mitunter für gewaltsam suggestive Montagen bis zur Unkenntlichkeit zerschnippelt. Schade. Man hätte gern mehr und auch mehr selbst gesehen.

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