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Finstere Freude. Johann Jürgens als Werner Gladow und Thomas Lawinky als Scharfrichter

© Joachim Fieguth

Premiere am Gorki: Durch die Amüsierbrille

"Gladow-Bande": Armin Petras hat für das Maxim Gorki Theater einen Berliner Gangster-Spaß geschrieben.

Am Schluss, das ist verständlich, will man vielleicht nur noch Spaß. „Mensch, Armin!“ „Mensch, Jan!“ „Wat ham wa nicht an Premieren rausjehauen!“ „Sieben Jahre Jorki in Berlin!“ „Schnellfeuertheater ausm Herzen der heißesten Stadt!“ „Janz ehrlich jetze: Ich kann’s immer noch nicht fassen!“ „Darauf einen Banküberfall!“ „Und ’ne große Party mit ’nem Mythos aus dem Herzen der Stadt!“

Und so hat Armin Petras eine Theaterfassung vom Leben des selbst ernannten Al Capone Berlins erstellt und sie gutgelaunt von Jan Bosse über die Bretter kegeln lassen. Et jeht um: Werner Gladow, der nach dem Ende des Krieges als 17-Jähriger mit seiner Gladow-Bande dutzende Raubüberfälle beging, zwei Morde und mehrere Mordversuche, und trotzdem die Sympathie der Bevölkerung gewann, weil er die Trennung der Stadt auf geschickte Weise nutzte. Er flüchtete nach den Taten in den jeweils anderen Teil, dessen Grenzen die ihn verfolgenden Polizisten nicht passieren durften. Im Frühsommer 1949 war schon wieder alles vorbei. Gladow wurde festgenommen und 1950 in Frankfurt Oder hingerichtet.

Gegen Ende von Armin Petras’ Zeit als Intendant des Maxim Gorki, das muss man verstehen, will der Zuschauer vielleicht auch nur: ein bisschen Wehmut. Und ansonsten Spaß. Und beides bekommt er in Hülle und Fülle. Zumindest solange er die rosa getönte Amüsierbereitschaftsbrille fest vor die Augen drückt. Aber Milan Peschel als Diamanten-Sohni, Johann Jürgens als fiebrig halbstarker Werner Gladow, Ronald Kukulies als Kommissar Schütze oder Thomas Lawinky als zwischen den Welten wandelnder Scharfrichter Gustav Völpel sind schon eine Wucht.

Zur atmosphärischen Einstimmung werden ein paar Filmschnipsel aus dem zerstörten Nachkriegsberlin eingespielt, Trümmerfrauen, die Schutt wegschaffen. Dann sieht man amerikanische Gangster, die scheinbar ein ganzes Stadtviertel niederschießen. Davor fläzen sich die Bandenmitglieder in hölzernen Filmstühlen und kieken sich die Ballerei an. Es ist alles nur ein Film, behauptet diese erste Szene und ist damit konzeptionelle Klammer und darstellerischer Freibrief in einem. So, wie Gladow amerikanische Verbrecherwelt im kaputten Berlin nachspielen wollte und weiße Krawatte zum Maßanzug trug, spielen sie Gladows Geschichte nach, als überdrehte, etwas selbstironische Berlin-Simulation. Es wird also berlinert, jeglotzt und eckensteherisch rumgehangen, was das Zeug hält. Dass dabei manches eher nach Zwanzigerjahre aussieht und Ronald Kukulies’ Kommissar mit Schmierscheitel eine Mischung aus Adolf- und Chaplin-Figur gibt – ejal.

Mit schon altmeisterlicher Lässigkeit und perfider Ironie geht Milan Peschel vor, der als früh ausgestiegener Kumpan Sohni die Chose überlebte und uns nun alles erzählt. Mit Sonnenbrille uff und Feuermusterhemd an spielt er eine großartige Kopie von Michael Gwisdek, bei dem man ja nie so genau weiß, ob er eigentlich der letzte Ur-Berliner ist oder nicht doch der erste Vorzeige-Berliner aus einer Marketing-Kampagne: der jemütliche Singsang, auch Körperhaltung und Armwerfen – beim begnadeten Peschel quasi allet original.

Als die Amüsierbrille einmal rutscht, fragt man sich zwar, wo in der Inszenierung das Bild aus Petras’ Stücktext geblieben ist, das Gladow als kämpfendes Kind bei der Hitlerjugend zeigt und dadurch nicht nur seine Gewaltbereitschaft herleitet, sondern auch ein Schlaglicht auf den Vergessensrausch der Nachkriegsgesellschaft wirft. Hoch mit der Brille: Eine Party ist eine Party, und mehr will und soll dieser Abschied auch nicht sein.

Wieder am 19. und 21. März

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