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Kultur: Durchgefallen

Das Festival des gescheiterten Films zeigt, was nicht ins Kino kommt – und beweist: Berlin ist spitze

Wäre die rot-grüne Bundesregierung auf die Idee verfallen, einen Werbespot für die von ihr erfundene Ich-AG zu drehen, hätte sie in dem Mann, der sich „hwmueller“ nennt, den idealen Darsteller gefunden. Seit 15 Jahren betreibt er, ganz ein Theatermacher im Sinne Thomas Bernhards, ohne jede Subvention sein eigenes „intermediales Kulturhaus“, mit dem er weltweit auf Tournee geht. Im Oktober inszenierte er „Faust I“ an der deutschen Schule in Jakarta. Der „Kontonummerreflex“ ist ihm verhasst, er finanziert seine Arbeit allein durch Eintrittsgelder. „Der Anspruch des zahlenden Zuschauers ist ernst zu nehmen“, befindet er an diesem Januarmorgen, nachdem schon 4000 Minuten seines „Festivals des gescheiterten Films“ gelaufen sind. Auch Scheitern kann unterhaltsam und lehrreich sein.

Das ungewöhnliche Festival, das bereits in Wien und München stattfand, versammelt Filme, die es nie ins Kino geschafft haben. Ausdrücklich handelt es sich um eine „sponsorenfreie Zone“, wie hwmueller klarstellt. Scheitern, ein Tabuthema der Leistungsgesellschaft, begreift er als kreativen Prozess: „Wer scheitert, hat eine Aktion hinter sich.“ Halb so schlimm also. Allerdings sei, fügt er hinzu, „das Scheitern beim Film wegen des hohen technischen Aufwands offensichtlicher.“

Bis drei Uhr morgens hielten sich in der Silvesternacht die Zuschauer in den knarzenden Sitzen des ehrwürdigen Münchner Programmkinos „Maxim“, um den Abschlussbeitrag „Trooping the Colour“ zu verfolgen: eine Britannienerkundung gen Norden, unternommen von einem gelb-roten Ritter und seinem Knappen, unterlegt mit Nationalliteratur in feinstem Oxford-Englisch. Frei nach William Blake suchen die Farbenträger die Goldene Stadt „in Englands green an pleasant land“. Tobias Sandbergers Filmessay hätte zu einem Schmuckstück des „Kleinen Fernsehspiels“ des ZDF oder bei Arte werden können, aber leider haperte es an der Technik.

Einen Großproduzenten wie Bernd Eichinger würde hwmueller gerne auffordern: „Schicken Sie mir einen Film, den Sie für gescheitert halten.“ Schnell würde sich zeigen, dass Scheitern eine höchst philosophische Kategorie ist. Über „Trooping the Colour“ schreibt hwmueller im Programmheft, was für viele seiner 82 Schützlinge gilt: „Als der Film fertig war, stellte sich heraus, dass er eigentlich hauptsächlich vom ‚Scheitern‘ handelt: vom Scheitern an der ‚neuzeitlichen‘ Welt, vom Scheitern an einem Kindheitstraum, vom Scheitern an den eigenen Kräften und vom Scheitern, leider auch, am Verständnis.“

Jetzt hat der Initiator, Organisator und Festival-Pressesprecher in Personalunion die Kassetten und Filmrollen für Hamburg und Berlin gepackt, jene Städte, aus denen die meisten Einsendungen der von Jurys und Sendern abgelehnten Filmemacher kamen. Der Mann, den mit Ex-Kanzler Gerhard Schröder neben der sprühenden Dynamik die Redewendung „Ich sach mal“ verbindet, kam 1958 als Hartwig Müller zur Welt, in Hamburg, wie man unverkennbar hört. An die Isar zog er vor einem Vierteljahrhundert, um Theaterwissenschaft und Philosophie zu studieren. Daneben absolvierte er eine umfangreiche Ausbildung als Musiker, Tenor und Schauspieler. Für das einst alternative Tollwood-Festival entwarf er eine überdimensionale Klangbox, mit deren Hilfe jedermann wohlklingende Töne singen konnte, ein potenzielles Erfolgsmodell. Inzwischen existiert die Apparatur mit den vielen Rohren nicht mehr. Aber im Mahlstrom der Jahre formte sich das Signet „hwmueller“, unter dem er nun firmiert. „Kunst ist, wo der Schuh drückt“, lautet ein Kernsatz seines Theaterstücks „Ich AG Ich“ über den Überlebenskampf eines Fahrradkuriers. Skurril und wortgewaltig gewährt der Monolog Einblicke in das Leben des einarmigen Dienstboten von „Transpedal“. Mittlerweile spielt hwmueller sein Stück, das er in der Tradition von Patrick Süskinds „Kontrabass“ sieht, nur noch auf Anfrage.

Denn die Zeit des Impresarios ist knapp geworden. Das von ihm erfundene und weitgehend allein organisierte Festival wurde im zweiten Anlauf zu einem großen Erfolg. Mitten in der „staden Zeit“ nach Weihnachten reisten Zuschauer aus dem gesamten Münchner Umland an, um sich ein Bild vom vielfachen angeblichen Misserfolg zu machen. Diesen eher sporadischen Kinogängern, dem Publikum überhaupt schulde er ein „fettes Dankeschön“, so hwmueller in schönstem Waterkantduktus: „In unserer Zeit gibt es kaum mehr Zuschauer, jeder produziert, aber kaum einer rezipiert mehr.“ Umso größeres Vergnügen habe es ihm bereitet, sich vorbehaltlos auf alle Filme einzulassen, die ihm nach Aufrufen in Internetforen zugeschickt wurden. Dass er selbst mit drei Produktionen als Regisseur und Darsteller vertreten ist, möchte er nicht weiter vertiefen. Dabei bescheinigte die „taz“ seinem Landmovie „Wer hat Angst vorm Schwarzen Mann“, es verwalte „das Erbe Bunuels, und das nicht mal unwürdig: mit seinem Surrealismus, seinem beißenden Humor und seiner Nähe zu drängenden aktuellen Fragen.“

Und was sagt das Scheitern eines brandaktuellen Dokumentarfilms wie Gerd Conradts „Monte Klamotte“ zur Besteigung des Berliner Schuldenbergs oder der Untergang einer handwerklich makellosen Produktion wie Nikolaus von Uthmanns „Männlich, ledig, sucht“, die sich der bizarren Wohnungssuche mittelloser Großstadtpilger annimmt, über unsere Medienlandschaft aus? „Die Verantwortlichen haben ihre Träume begraben und sich den Sachzwängen unterworfen“, antwortet hwmueller, der dahinter eine urdeutsche, alles nivellierende Sucht nach der Mitte ausmacht. Doch er bleibt Optimist: „Das Erotischste wäre, mit einem gescheiterten Film Geld zu verdienen.“

Zu seinen Lieblingsfilmen im reichen Programm zählt der österreichische Kurzfilm „Raumausstatter Stagl“. Dieser sitzt in einem Liegestuhl am Meeresstrand, statisch wie eine Fototapete. Pausenlos wählen Kunden sein Handy an, Stagl jedoch lässt in den liebenswürdigsten Variationen alle Anrufer scheitern: „Das wird nicht mehr gemacht. Das ist ganz aus der Mode gekommen. Tut mir wirklich leid, da kann ich Ihnen nicht weiterhelfen.“ Es ist der Triumph desjenigen, der alle anderen scheitern lässt.

12. bis 18. Januar, Kino Babylon Mitte; Informationen unter www.der-gescheiterte-film.com

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