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Kultur: Durchhalten!

Die Rosas tanzen im Berliner HAU

Von Sandra Luzina

Das Glück, das eine Aufführung der Tanzcompagnie Rosas schenkt, lässt sich wohl nicht steigern. Höchstens durch noch mehr Rosas. Dem Berliner Publikum bietet sich nun die Gelegenheit, sich gleich an vier Arbeiten von Anne Teresa de Keersmaeker berauschen zu lassen. Die Flämin hat vier Werke aus den achtziger Jahren zum Programm „Early Works“ zusammengefasst. Nach dem Auftakt mit „Fase“ (1982) sind bis zum Sonntag noch „Rosas danst Rosas“ (1983), „Elena's Aria“ (1984) und „Bartók/Mikrokosmos“ (1987) zu sehen. „Dies sind wichtige Stücke für mich“, sagt de Keersmaeker im Interview, „weil ich darin mein Vokabular, meine choreografische Sprache entwickelt habe.“

De Keersmaeker ist nicht nur als Choreografin, sondern auch als Tänzerin zu bestaunen. Am Eröffnungsabend im Hebbel-Theater wurde sie vom Publikum euphorisch gefeiert. Mit „Fase, Four Movements to the Music of Steve Reich“ gelang der damals 22-Jährigen der Durchbruch – es ist bis heute ihr am häufigsten aufgeführtes Werk. Ein moderner Klassiker, dessen Radikalität und Formstrenge immer noch begeistern.

Zu Beginn von „Piano Phase“ werfen de Keersmaeker und Tale Dolven sich einen kurzen Blick zu, sie muten in ihren schwingenden Kleidchen wie Zwillingsschwestern an. Ein Pendeln des Arms, kleine Schritte und halbe Drehungen auf der horizontalen Achse bilden das Grundmuster, das wiederholt und minimal variiert wird. Anfangs bewegen die beiden Tänzerinnen sich in perfektem Einklang, durch eine winzige Verschiebung wird daraus eine gegenläufige Bewegung. Dieses Wechseln von der Synchronizität ins Kontrapunktische und zurück hat einen verblüffenden Effekt.

Die Choreografie korrespondiert mit dem kompositorischen Prinzip der Phasenverschiebung, doch de Keersmaeker setzt durchaus eigene Akzente. Die Frauen stoppen kurz, um dann wieder ungeheuren Drive zu entfalten. Das Duett erfordert enorme Konzentration seitens der Tänzerinnen – ein winziger Fauxpas würde alles ruinieren. So erscheint „Fase“ wie ein Exerzitium des Durchhaltens. Ein Kampf zwischen der Struktur und dem Impetus der Interpretin. Ein weiterer Höhepunkt ist das Solo „Violin Phase“. De Keersmaeker erweitert hier ihr Vokabular, erobert sich eine größere Freiheit innerhalb der ausgetüftelten Struktur. Die Flämin, das zeigt der Abend, versteht es, den abstrakten Tanz emotional aufzuladen. Und Disziplin mit einer verführerischen Leichtigkeit zu verbinden. Sandra Luzina

Weitere Vorstellungen am 5., 7. und 9.10., jeweils um 19.30 Uhr im HAU 1.

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