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Kultur: Edler schlafen

BERLIN BAUT Zwei Hotels eröffnen in denkmalgeschützten Bauten: am Anhalter Bahnhof und in der Friedrichstraße

Berlin wächst. Zumindest was die Beliebtheit bei Städtereisenden angeht. Nach wie vor eröffnen neue Hotels in der Stadt, und zwar nicht allein im Fünf-Sterne-Segment. Auch in den niedrigeren Kategorien ist ein heißer Kampf um die Gunst der Reisenden entbrannt. In ihm wird sich auf Dauer am Markt nur der durchsetzen können, der mit seinem Hotel eine besondere Marktnische besetzt. Die Schweizer Mövenpickgruppe hat dabei den Charme des Industriedenkmals entdeckt. Gleich gegenüber der Ruine des Anhalter Bahnhofs hat das Mövenpick-Hotel mit 243 Zimmern eröffnet. Wo einst die Firma Siemens wirkte, haben die Architekten und Designer Pia M. Schmid und Karsten Schmidt-Hoensdorf das Industriedenkmal mit einer kräftigen neuen Farbigkeit verschmolzen.

Das neue Hotel ist eigentlich ein Doppeldenkmal: 1914/15 von dem Siemens- Hausarchitekten Karl Janisch errichtet, wurde das neoklassizistische Fabrik- und Bürogebäude 1929/30 von dessen Nachfolger Hans Hertlein im Stil der Neuen Sachlichkeit erweitert. Noch heute ist viel vom historischen Bestand erhalten. Das reicht von den Bogenstellungen der Einfahrt an der Schöneberger Straße über die Pflasterung des Bodens bis hin zum repräsentativen Treppenhaus. Höhepunkt aber ist der so genannte Siemenssaal, der nun als einer der Konferenzräume des Hotels dient. Ihm vorgelagert ist das schöne Vestibül mit seinen antikisierenden Einbauten aus dunklem Holz.

Ein vergleichsweise großes „restauratorisches Fenster“ ermöglicht im Siemenssaal einen Blick in die ursprüngliche Farbigkeit des Raumes, während das Zimmer mit seiner schweren Kassettendecke ansonsten eine hellere Farbe erhalten hat. Etwas manieriert wirkt es freilich, dass der Farbwechsel ausgerecht in der Mitte einer der Säulen am Eingang des Konferenzzimmers entlang läuft. Dafür haben sich die Architekten in den Sanitärbereichen mit Eingriffen zurückgehalten und sogar die alten Fliesen erhalten. Die Raumgrundrisse haben dazu geführt, dass das Hotel heute 80 verschiedene Zimmertypen aufweist.

Ob Gussasphalt auf dem Boden der Lobby oder Glasbausteine in den Hotelzimmern, das technische Erscheinungsbild des Gebäudes wird auch in der Gestaltung für die neue Nutzung fortgeführt. Sogar einige Stücke des Technikmuseums sind in den Fluren zu sehen.

Weniger der Aura des Technischen verpflichtet, dafür nicht minder repräsentativ, lässt es sich im „Hotel Angleterre“ in der Friedrichstraße übernachten, gleich hinter der Kochstraße. Mit seiner üppig dekorierten Sandsteinfassade führt das Wohn- und Geschäftshaus in die Zeit der Wiederentdeckung der Deutschen Renaissance zurück. 1891/93 von Gustav Knoblauch errichtet – dem Enkel des Architekten der Synagoge in der Oranienburger Straße – beherbergte das Haus einst die Baseler Feuerversicherung. Der Wille zur architektonischen Repräsentation im ausgehenden 19. Jahrhundert wird auch im überbordend üppig ausgestatteten Treppenhaus mit seinen Wandmalereien im Eingangsbereich spürbar, die Schweizer Motive zeigen. Sie wurden in enger Abstimmung mit der Berliner Denkmalpflege hergerichtet (Restaurierung: Mühlenbein und Schelke).

Auf Knoblauchs Prachtbau antwortet der Schweizer Architekt Max Dudler, der für das Konzept bei der Sanierung des Altbaus und dessen Erweiterung verantwortlicht zeichnete, mit der ihm eigenen minimalistischen Formensprache. Die neuen Veranstaltungsräume und Hotelzimmer strahlen dezente Noblesse aus, ihre rotbraune Holzvertäfelung verbreitet eine freundlich-warme Atmosphäre. Dudlers Ergänzungen fügen sich an den historischen Bau an, ohne dabei der Gefahr zu erliegen, diesen historisierend nachzuahmen. Doch Dudler hat nicht nur den rückwärtigen Neubauteil des Hotels verwirklicht, er gibt dem Altbau durch ein angrenzendes Bürogebäude zugleich einen neuen städtebaulichen Halt. Der rationalistischen Grundüberzeugung Dudlers gemäß ist dabei ein Haus von strengem Erscheinungsbild entstanden. Dem doppelgeschossigen Sockel, der mit dunklem Naturstein verkleidet wurde, folgen sechs helle Geschosse, deren große, annähernd quadratische Fensteröffnungen wirken, als wären sie mit scharfen Schnitten aus dem Baukörper herausgetrennt worden.

Das Ergebnis ist eine Aufwertung des südlichen Abschnitts der Friedrichstraße, der nun nicht nur für Touristen eine ganz eigene Variante der Berliner Mischung zeigt.

Jürgen Tietz

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