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Kultur: Eigentor vom Investor

Frederik Hanssen über die Zukunft der Ku’damm-Bühnen

Außer Kontrolle heißt das Stück, das sie gerade im Theater am Kurfürstendamm spielen. „Der Autor Ray Cooney ist ein Meister der akribisch genau konstruierten Katastrophe“, wirbt die Bühne auf ihrer Website für die Komödie. Hinter den Kulissen aber ist derzeit kaum einem Mitarbeiter des Privattheaters zum Lachen zumute – denn wie die Politik mit der Traditionsbühne der Familie Wölffer umspringt, ist alles andere als meisterhaft. Grünen-Politikerin Alice Ströver brachte in der vergangenen Woche ans Licht, dass die Große Koalition den Bestandsschutz für den Kulturstandort schon 1998 verscherbelt hat. Der Eigentümer des Ku’damm-Karrees, zum dem die beiden Theater gehören, kann also mit der Immobilie machen, was er will. Er kann die alten Säle mit dem ganzen potthässlichen Siebziger- Jahre-Drumherum plattmachen und der Shopping-Metropole Berlin eine weitere seelenlose Einkaufspassage mit den ewig gleichen Filialen großer Media- und Mode-Ketten hinzufügen. Er kann dem Komplex aber auch ein Gesicht geben, eine uniqueness, wie die Werbeleute sagen: nämlich eine Bühne als Wiedererkennungsmerkmal. Fast eine Viertelmillion Besucher besuchen die Ku’damm- Bühnen jedes Jahr: Eine Menge Laufkundschaft, dank neuer Ladenöffnungszeiten auch für jedes Geschäft in so einer Mall.

Sollte der Eigentümer tatsächlich so dumm sein, sich diesen Aufmerksamkeitsanker entgehen zu lassen, findet sich vielleicht ein findigerer Investor, der den Image-Transfer durch Kultur zu schätzen weiß – und damit sogar noch ein attraktiverer Platz für die Ku’damm-Bühnen am wahrlich langen Prachtboulevard, näher an den Touristenströmen, die zumeist am Kranzler-Eck abbiegen, oder auch am Tauentzien in KaDeWe- Nähe. Theaterleute sind fahrendes Volk, sie steigen dort auf die Bretter, wo man ihnen ein Podest aufbaut. Und Inszenierungen wie „Szenen einer Ehe“ mit Katja Riemann und Peter René Lüdicke, Wölffers Erfolgsstück der zu Ende gehenden Saison, locken die Leute an jede Adresse.

Was die Kosten für einen eventuellen neuen Kulturstandort am Ku’damm betrifft: Wie wäre es, wenn der Berliner Senat die vier Millionen Euro, die er für die Auflösung des Bestandsschutzes kassiert haben soll, dem geschädigten Theater als Investitionszuschuss zurückzahlte?

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