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Kultur: Ein Feldherr mit Badehaube

Oper im Stadtbad Saarbrücken: „Scipione Africano“  

Wenn es knallt, zuckt die Gesellschaft in Gummibademütze und Bademänteln zusammen. Auch die Musik, die sich gerade vom zarten Einspiel in eine Ouvertüre verwandelt hat, erstarrt bei den Schüssen für einige Sekunden. Schließlich ist der römische Feldherr Scipione Africano kurz davor, ins alte Saarbrücker Stadtbad St. Johann einzudringen. Karthago fällt zwischen blauen Kacheln.

Zum 400. Geburtstag des venezianischen Komponisten Francesco Cavalli führt das Ensemble „Pazzacaglia“ die Oper „Scipione Africano“ auf. Die Regisseurin Sandra Leupold, Schülerin von Ruth Berghaus und bekannt geworden durch eine radikale Don-Giovanni-Inszenierung in der Berliner Kulturbrauerei, bringt das barocke Stück als Comic Strip, Pubertätsdrama und Studie in Sachen Persönlichkeitsbildung heraus. Spielort ist ein leeres Schwimmbecken, in dem sich neben vielen milchfarbenen und durchsichtigen Luftballons nur ein rotes Plastiksofa und ein paar aufblasbare Blumen befinden.

Das Stadtbad St. Johann wurde vor einiger Zeit geschlossen, weil man die Kosten für die Renovierung lieber in ein neues Spaßbad am Stadtrand steckte. Schade, denn das Stadtbad mit seinen bunten Wandmosaiken ist ein bald 100 Jahre altes kulturhistorisches Denkmal – die Übertragung der Opern-Story in ein Bad mit Getränketheke, Sprungturm und Bademeister allerdings ist nicht mehr als ein witziges Design. Zumal eine Oper, die man im Schwimmbad aufführt, leider auch klingt wie eine Oper im Schwimmbad. Da fließt die Musik oft unschön ineinander. Dabei legte der musikalische Leiter Lutz Gillmann großen Wert auf Klarheit und differenzierte Gestaltung – was in der Halle nur von mäßigem Erfolg begleitet war.

Prinz Luceio und seinen jüngeren Bruder hat Ausstatterin Andrea Eisensee als Zorro und Schuljunge mit dunkelblauen Shorts, Kniestrümpfen und schwarzen Lackschuhen kostümiert. Luceio will die schöne Ericlea heiraten, aber zuvor deren Charakter prüfen, weshalb er mit seinem Bruder die Rollen tauscht. Ericlea, ein wenig zu aufdringlich gesungen von Antje B. Schmidt, wiederum findet auch den Scipione ziemlich klasse, weshalb sie in einen echten Gewissenskonflikt kommt. Scipione wiederum ist auf der Suche nach Sofonisba, der Frau des besiegten Königs, die von Massanissa befreit und aus Liebe entführt wurde.

Vor dem Hintergrund des historischen Krieges um Karthago schrieben 1664 Francesco Cavalli und sein Textdichter Nicolo Minato ein gelungenes Lehrstück über Liebe und Schicksal. Da gibt es Ericlea, die zwischen zwei Männern steht, Luceio, der in pubertärem Wahn die wahre Liebe prüfen will und am Ende seine Partie fast verspielt oder auch Ceffea, Ericleas Amme, die traurig darüber sinniert, warum sie keinen Mann abbekommen hat. In wechselnden Badehauben und -anzügen gibt Alexander Wendt der alternden Frau seine liebenswerte Männerstimme und verfolgt junge Männer mit Eis am Stiel oder stopft auch schon mal frustriert Torte in sich hinein.

Sehr menschlich und unverzerrt wirken dagegen die entführte Königsfrau, der Klaudia Kemmer traurigen Ernst verleiht, und Ralf Peter, dessen Scipione allerdings mehr stimmliche Präsenz vertragen hätte.

Peter spielt einen sehr nachdenklichen Eroberer. Kurz nachdem er ins Schwimmbad hereingepoltert ist, verliebt er sich in Ericlea. Über die Liebe sinnierend wandert er mit einem roten Plastiksessel um den Schwimmbadrand – und ist am Ende derjenige, der zwar nichts gewonnen hat, aber sich und seine Leidenschaften besiegt hat. Er, der alle Macht hatte, ist durch Verzicht und Güte gewachsen und wurde so zu einem echt barocken Adelsvorbild. Zwischendrin erhält er immer wieder Tipps von jungen Mädchen eines Orakels, die im übrigen ihre Zeit damit verbringen, im Hintergrund fein Schach zu spielen. Karsten Neuschwender

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