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Literatur BETRIEB: Ein Frühling, der bleibt

Blickt man auf das Literaturjahr 2013 zurück, lässt sich nur schwer sagen, ob das jetzt ein gutes oder schlechtes Jahr war. Es gab zu viele gute Bücher und zu viele schlechte Bücher, zu viel Qualität und zu viel Trash.

Blickt man auf das Literaturjahr 2013 zurück, lässt sich nur schwer sagen, ob das jetzt ein gutes oder schlechtes Jahr war. Es gab zu viele gute Bücher und zu viele schlechte Bücher, zu viel Qualität und zu viel Trash. Weshalb sich völlig problemlos über das vergangene Literaturjahr sagen lässt: Es war einfach viel zu viel, wie schon in den Jahren und vermutlich auch Jahrzehnten zuvor. Der Buchmarkt kennt da kein Pardon, Umsatzrückgänge hin, Digitalisierung her. Und die Verlage scheinen sich immer sehr sicher zu sein, (Was bleibt ihnen auch anderes übrig? Das ist schließlich ihr Bestreben!), dass ein Buch wie Thomas Meineckes Kolumnensammlung „Analog“ genauso seine Käufer und Leser findet wie Georg Brunolds Beobachtungen und Spekulationen aus 2500 Jahren „Nichts als der Mensch“, um nur zwei bestsellerunverdächtige Veröffentlichungen der vergangenen Monate zu nennen.

Was sich über so ein Literaturjahr ebenfalls sicher sagen lässt: Der Versäumnisse gab es leider allzu viele. Was hat man wieder alles nicht gelesen!? Warum hat es wieder einmal nur für den ersten Band von Prousts „Recherche“ gereicht, nachdem Bernd-Jürgen Fischers Neuübersetzung erschienen war? Fischer übersetzt die gesamte „Recherche“ neu, die Folgebände erscheinen erst in den kommenden Jahren – aber hatte man nicht fest vor, sich sofort wieder „Sodom und Gomorrha“ oder „Die Gefangene“ zu Gemüte zu führen, den ganzen Proustschen Romanzyklus in einem Rutsch zu lesen, dann ruhig noch einmal in der alten, von Luzius Keller lediglich revidierten Übersetzung von Eva Rechel-Mertens? Beispiele ließen sich hier viele mehr aufzählen, sagen wir Daniel Kehlmanns „F“, Paul Nizons „Belagerung der Welt“, Marion Poschmanns „Sonnenposition“ oder Karl-Ove Knausgårds „Spielen“?

Noch offensichtlicher wird solcherart Überforderung, wenn man an die Toten eines Jahres denkt: Peter Kurzeck zum Beispiel. Denn wäre es nicht endlich Zeit, Kurzecks schon 1987 erschienenen und 2007 neu aufgelegten Roman „Kein Frühling“ zu lesen, seinen ultimativen Roman über Stauffenberg, das Dorf seiner Kindheit? Oder ist die Zeit dafür nicht mehr da, hat man vielleicht schon genug von Kurzeck gelesen? Zumal man sich leicht ausrechnen kann, wie viele Bücher überhaupt in so einem Leben zu schaffen sind, so wie es Arno Schmidt einst tat: „Sagen wir durchschnittlich alle 5 Tage 1 neues Buch – dann ergibt sich der erschreckende Umstand, daß man im Laufe des Lebens nur 3000 Bücher zu lesen vermag! Und selbst wenn man nur 3 Tage für eines benötigte, wären’s erst immer arme 5000. Da sollte es doch wahrlich, bei Erwägung der Tatsache, daß es bereits zwischen 10 und 20 Millionen verschiedener Bücher auf unserem Erdrund gibt, sorgfältig auswählen heißen.“

Ja, und was machen die Verlage? Versorgen den Buchmarkt mit Hülle und Fülle, veröffentlichen, als gäbe es keine begrenzte Lebens- und damit Lesezeit. Und sie veröffentlichen eben nicht nur Zeitgenössisches und Gegenwärtiges, das ja stets auf Tauglich- und Haltbarkeit geprüft werden will, sondern auch die Klassiker, jüngere und alte. Zum Beispiel kann man sich kommendes Jahr durch das Gesamtwerk von Hermann Burger lesen, das zum 25. Todestag des unvergleichlich originellen und sprachmächtigen Schweizer Schriftstellers am 28. Februar 2014 bei Nagel & Kimche erscheint. (Vieles von Burger war vergriffen und nur noch antiquarisch zu bekommen.) Oder man kommt schon Anfang Januar endlich in den Genuss des Berliner Tagebuchs von Max Frisch, das nach der von Frisch verfügten Sperrfrist von zwanzig Jahren nach seinem Tod nun erstmals in Auszügen publiziert wird. Oder wie wäre es mit Georg Finks Weltwirtschaftskrisenroman „Mich hungert“ von 1929, den der Metrolit-Verlag wiederauflegt? Und dann die vielen Neuübersetzungen: Joseph Conrads „Lord Jim“, William Faulkners „Schall und Wahn“, Nathaniel Hawthornes „Scharlachroter Buchstabe“, Oscar Wildes „Bildnis des Dorian Gray“ etc.

Das Literaturjahr 2014, so viel ist sicher, wird ein großes und gutes – und natürlich wieder ein schlechtes Gewissen auslösendes. Das Mindeste ist es da, eine sorgfältige Auswahl zu treffen.

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