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Der Congen-Stahl des Museumsgebäudes passt gut zu den monochromen, schwarzen Bildern des 94-jährigen Pierre Soulages.

© AFP

Ein Museum für Pierre Soulages: Schwarz, schwärzer, leuchtend

Das neue Musée Soulages im südwestfranzösischen Rodez ist ein meisterlicher Bau für den französischen Meister der Abstraktion. Für seine berühmten schwarzen Bilder und für die Vorarbeiten zu seinen wunderbaren Fenster in der romanischen Kirche von Conques.

In einem engen, bewaldeten Tal im Südwesten Frankreichs liegt Conques, ein Dorf von nicht einmal 100 Einwohnern, aber mit einer Abteikirche von atemberaubender Schönheit. Aus der Höhe, von der Landstraße aus, ist Conques zuerst zu erblicken. Zwei gedrungene, viereckige Türme erheben sich knapp über die Westfassade hinaus, dazu ein etwas höherer Vierungsturm über einem mächtigen Kirchenschiff, das gleichwohl in den umliegenden, dicht gedrängten Häusern zu versinken scheint. Die Kirche Sainte-Foy, erbaut ab 1041 und zu Beginn des 12. Jahrhunderts bereits fertiggestellt, ist vielleicht das vollendetste Beispiel der französischen Romanik, in seltener Weise stilrein erhalten. Nachdem der Bau seit der Französischen Revolution dem Verfall preisgegeben war, wurde er 1837 von dem jungen Schriftsteller und obersten Denkmalbeauftragten Frankreichs, Prosper Merimée, in seiner einzigartigen Bedeutung erkannt und vor dem bereits beschlossenen Abbruch gerettet. Ab 1850 erfolgte die Wiederherstellung des verkommenen Bauwerks.

Allerdings fehlten seit der Säkularisation die mittelalterlichen Kirchenfenster. Sie sind später ersetzt worden, 1994 dann noch einmal – diesmal nach einem einheitlichen Entwurf von Pierre Soulages. Der in der nicht allzu weit entfernten Stadt Rodez im Departement Aveyron geborene Künstler, heute 94 Jahre alt und unvermindert tätig, ist der bedeutendste Vertreter der ungegenständlichen Malerei Frankreichs, die ihren Höhepunkt im Paris der fünfziger Jahre hatte.

Pierre Soulages, 94. bei der Eröffnung des Museums Ende Mai.
Pierre Soulages, 94. bei der Eröffnung des Museums Ende Mai.

© dpa

Soulages erhielt 1987 den Auftrag, die 126 Fenster der Kirche zu gestalten. Nach der Fertigstellung der monochromen, teils sandfarbenen, teils lichtblauen bleiverglasten Fenster schenkte Soulages die Vorarbeiten, insgesamt ein Konvolut von 250 Arbeiten, seiner Geburtsstadt Rodez – und der Gedanke eines eigenen Museums ging in konkrete Planungen über. Der Weg bis zur Realisierung war nicht ohne Hindernisse, doch Ende Mai konnte das Musée Soulages erndlich eröffnet werden. Nach anfänglicher Ablehnung der 52 000 Einwohner der Agglomeration Grand Rodez, ist das Museum nun der ganze Stolz der Stadt.

Seit 1979 malt Pierre Soulages ausschließlich schwarze Bilder: "Outrenoirs" heißen sie

Soulages ist der Schöpfer schwarzer und schwärzester Bilder. Und eines umfangreichen grafischen Œuvres. In dem vom katalanischen Wettbewerbssieger RCR Arquitectes entworfenen Museumsgebäude sind alle Werkphasen zu sehen, gipfelnd in der Gruppe „Outrenoirs“, der Gemälde „über das Schwarz hinaus“, wie Soulages sie mit seiner Wortschöpfung benennt. Seit 1979 malt er nichts anderes mehr: Es sind Bilder mit einer reliefartigen Oberfläche, die im Seitenlicht auf eigentümliche Weise zu leuchten beginnt, hervorgerufen durch die Spiegelungen des Lichts auf der tiefschwarzen, glänzenden, plastischen Oberfläche. 2010 waren sie im Rahmen einer großen Soulages-Ausstellung im Berliner Martin-Gropius-Bau zu sehen. Mittlerweile hat Soulages dem Museum über 500 Arbeiten vermacht.

Das Gebäude besteht aus fünf „Boxen“, die sich mehr oder minder hochkant über einem gemeinsamen Unterbau an der Hangseite des Stadtparks erheben. Vier dieser Schachteln hängen über den Hang hinaus und geben dem vollständig in rostbraunen Corten-Stahl gekleideten Komplex ein gefährlich schwebendes Aussehen, zumal unterhalb der Boxen ein Fußweg am Hang entlangführt. Zur Stadtseite und dem neugestalteten Park hin gibt sich das Bauwerk bescheiden, kaum mehr als drei Meter hoch, zudem auf einer Seite einladend durch ein hinter einer Art Stahlgitter verborgenes Café- Restaurant. Das betreibt der in der Region wegen seines Restaurants gerühmte Chef Michel Bras, und angesichts der anfänglichen Ablehnung des Museumsprojekts ist es besonders wichtig, einen solchen Anziehungspunkt geschaffen zu haben. Essen ist in Frankreich immer noch eine geradezu kultische Handlung und vermag jeden Dissens zu beenden.

Auch in der Ausstellung im neuen Museum: die Vorarbeiten zu Soulages' Kirchenfenstern in der berühmten romanischen Kirche von Conques.
Auch in der Ausstellung im neuen Museum: die Vorarbeiten zu Soulages' Kirchenfenstern in der berühmten romanischen Kirche von Conques.

© dpa-Bildfunk

Es war der Künstler selbst, der sich für den Entwurf von RCR Arquitectes stark- machte. Die Verwandtschaft des schrundigen Corten-Stahls mit seinen eigenen Arbeiten muss Pierre Soulages unmittelbar gesehen haben. Ruppig und kompromisslos, so präsentiert sich das Gebäude auf den ersten Blick, um erst im Inneren eine ausgefeilte Raumaufteilung und eine vorzügliche Lichtführung vorzuweisen, bei gleichzeitiger Präsentation von Malerei und Grafik keine leichte Sache.

Unter den dicht gereihten Fenstern zur Nord- und Hangseite hin sind Sitzecken angeordnet, die ein Innehalten ermöglichen, ohne wie plumpe Möbel in den Sälen den Raum selbst zu stören. Große Gemälde sind an Stahlseilen mitten im Raum aufgespannt. Und der größte Saal der ständigen Sammlung überrascht mit hellem Verputz, auf dem die schwarzen Bilder nochmals eine andere Wirkung entfalten als im Halbdunkel der hinteren, in den Hang hineingebauten Raumteile. Dann die schmale, hoch aufragende Box mit den Vorarbeiten, den Eins-zu- eins-Kartons für die Abteikirche von Conques, die das Kirchenschiff ahnen lässt, ohne es einfach zu imitieren.

Es war das Erlebnis dieser kompakten, im Inneren jedoch ungemein großzügigen und auf stille Weise monumentalen Kirche, das Soulages dazu bewog, Künstler zu werden. Mit dem Museum, das seinen Namen trägt, hat sich für den Altmeister der ungegenständlichen Kunst ein Kreis geschlossen. Und für Kunstinteressierte hat sich auf der Museumslandkarte gleich neben dem abgelegenen Conques eine neue Adresse aufgetan.

Mehr über Rodez und Conques unter www.tourisme-aveyron.com

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