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Kultur: Ein Schritt vor, zwei zurück Was Thomas Flierl vom Hauptstadt-Theater will

Klüger war am Ende keiner – nur frustrierter. Gebetsmühlenartig hatte sich ein Thema durch den Abend gezogen.

Klüger war am Ende keiner – nur frustrierter. Gebetsmühlenartig hatte sich ein Thema durch den Abend gezogen. Herr Senator, bitte erklären Sie uns, was wir in Zukunft an unseren Theatern zu erwarten haben. Haben wir nicht längst das, was Sie fordern? Bürgerliches Literaturtheater am Deutschen Theater? Volkstheater und Komödien am Gorki Theater?

Thomas Flierl, der angetreten war, um im Werner-Otto-Saal des Konzerthauses vor den Freundeskreisen der betroffenen Häuser seine jüngsten Personalentscheidungen zu verteidigen, kam in arge Erklärungsnöte. Will es doch das Schicksal, dass die Intendanten von Deutschem Theater und Gorki Theater gerade im Zeitpunkt ihrer Entmachtung beachtliche Erfolge einfahren: Bernd Wilms am Deutschen Theater mit Michael Thalheimers herausragender „Faust“-Sezierung und Jürgen Goschs Inszenierung von Edward Albees „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“, das Gorki Theater mit einem gelungenen „Vor Sonnenaufgang“ und Adriana Altaras „Trauer to Go", einem zumindest umstrittenen Abend zur deutschen Gedenkkultur.

Was Christoph Hein und Armin Petras, die beiden designierten Intendanten ab 2006, den Häusern bringen sollen, darauf hatte der Senator keine Antwort. Und machte gleichzeitig auf geradezu unheimliche Weise deutlich, was er vom Theater in der Kulturmetropole Berlin erwartet. Eine einheitliche geistige Haltung, die den ganzen Spielplan prägt, wenige, wiedererkennbare Hausregisseure und ein dominantes Ensemble. Bloß keine Starregisseure, wie sie von Hamburg bis München an den Theatern tätig sind. Keine zu individuellen Handschriften an einem Haus, stattdessen „Kontinuität“ und „Geschlossenheit“. Dass unter dem Mantel des „Nationaltheaters“ ein liberales durch ein „autoritatives“ Kulturverständnis ersetzt werden soll, wie es ein Diskussionsbeitrag aus dem Publikum zusammenfasste, war so klar noch nie geworden.

Am Deutschen Theater zum Beispiel stehen, so Flierl, mit dem (von ihm geschätzten) Heiner-Müller-Abend von Dimiter Gotscheff und dem (von ihm nicht geschätzten) Faust-Abend von Michael Thalheimer zwei höchst unterschiedliche Handschriften nebeneinander. Das, so Flierl, soll es in Zukunft nicht mehr geben. Gesucht ist der überregional noch unbekannte Regisseur, der sich einem „bürgerlichen Literaturtheater“ verpflichtet fühlt und dafür eine „neue ästhetische Sprache“ findet. Aus welchem Hut Flierl – oder der designierte Intendant Christoph Hein – diesen Wunderknaben zaubern wollen, ist noch unklar.

Am besten, sie verpassen ihm gleich noch eine Ost-Biografie. Denn dass hinter den Diskussionen um die Neubesetzungen an beiden Theatern ein zwar verspäteter, aber heftig ausgetragener Ost- West-Konflikt steht, konnte auf dem Podium wie im Publikum keiner leugnen. Und je heftiger Flierl sich gegen die Kritik wehrte, seine Personalentscheidungen seien allein von ostdeutschen Befindlichkeiten geprägt, desto mehr wird eine fast an Verfolgungswahn grenzende Verletzlichkeit in dieser Frage deutlich. Die sehr engagierten Freundeskreise der betroffenen Theater übrigens sind über derlei ideologische Ränkespiele längst hinaus. Die Bitterkeit, mit der sie die Negierung ihrer Integrationsarbeit konstatieren müssen, hat an diesem Abend neue Nahrung bekommen.

Christina Tilmann

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