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Kultur: Ein Typ geht um die Welt

Der gute Deutsche: Hommage an Hardy Krüger im Berliner Filmmuseum

Krieg, heißt es, macht Jungen zu Männern. Manchmal ist es aber auch umgekehrt. Pierre zog als Mann in den Krieg, zurück kam er als Kind. Er bombardierte Reisfelder und Dörfer in Indochina, dann wurde er abgeschossen. An den Krieg und die Reisfelder kann er sich nicht mehr erinnern, jetzt geht er nur noch spazieren. „Was ist das, ein verschwendetes Leben?“, fragt er einmal. „Ein Leben wie meins?“ Seine Sonntage verbringt Pierre mit Sybill, einer Zwölfjährigen, die sie ins Waisenhaus abgeschoben haben. Sie stromern am Fluss lang, sprechen mit den Bäumen und staunen über den Nebel. Man könnte sie für eine Art Liebespaar halten.

Natürlich kann das nicht gut enden, die ins Karge stilisierten Schwarzweißbilder von „Les Dimanches de Ville d’Avray“ lassen von Anfang an Unheil erahnen. Der französische Film, der in Deutschland unter dem Titel „Sonntage mit Sybill“ lief und lange vergessen ist, bekam 1962 den Oscar für den besten Auslandsfilm. Zu verdanken hatte er das nicht zuletzt seinem Hauptdarsteller. Hardy Krüger war als Pierre eine Idealbesetzung: In seinem Blick lag eine kindliche Melancholie, seine Bewegungen wirkten tastend und unsicher. Einer, der aus dem Tritt geraten ist, der alles versucht, aber der Welt der Erwachsenen immer einen Tick hinterher bleibt.

Hardy Krüger ist bis heute dieses große Kind geblieben. Das Gesicht des Schauspielers, der im April seinen 75. Geburtstag feierte, rahmt ein hemingwayartiger Vollbart, doch die Augen blitzen immer noch lausbübisch. „Als ich bei der niedersächsischen Landesbühne als jugendlicher Liebhaber mit Umbauverpflichtung anfing, war nicht daran zu denken, dass ich einen solchen Tag erleben würde“, sagte er am Dienstagabend. „Ich bin gerührt und bedanke mich.“ Es klang ein wenig verlegen. Was Krüger an diesem Abend erlebte, war die Eröffnung einer ihm gewidmeten Ausstellung im Berliner Filmmuseum und der Beginn einer kleinen Filmreihe im Arsenal-Kino. Gezeigt wurde „Les Dimanches de Ville d’Avray“, in Anwesenheit von Regisseur Serge Bourguignon und des französischen Botschafters Claude Martin. Martin und Krüger sind Freunde, seit der Diplomat den Star vor einem Jahr mit dem Orden der französischen Ehrenlegion dekorierte. Damals besuchten sie das Filmmuseum und stellten fest, dass Krüger – der im Wedding geboren wurde und im brandenburgischen Biesdorf aufwuchs – in der Dauerausstellung nicht vorkommt. Die daufhin mit Direktor Hans Helmut Prinzler vereinbarte Hommage ist auch eine Heimholung.

Der Weg des Schauspielers Hardy Krüger führte auf Umwegen nach oben. Er war zu einer Zeit besonders gut, als der deutsche Film besonders schlecht war, das hat geprägt. Weil man in Deutschland wenig mit ihm anzufangen wusste, arbeitete er ab 1956 sporadisch und ab 1961 nahezu ausschließlich in England, Frankreich und Amerika, mit Regisseuren wie Joseph Losey („Blind Date“), Howard Hawks („Hatari“) oder Stanley Kubrick („Barry Lyndon“). Seine Karriere ähnelt der von Hildegard Knef, Horst Buchholz und Romy Schneider. Dabei war Krüger sich für beinahe nichts zu schade. In der Ausstellung hängen bonbonbunte Plakate aus den Nierentischjahren, die den jungen Helden in gewagten Posen abbilden: In „Der letzte Sommer“ schmust er mit Nadja Tiller auf einem Gründerzeitsofa, für „Der Himmel ist nie ausverkauft“ umarmt er Irena Gatter, in „Liane – das Mädchen aus dem Urwald“ verfolgt er die halbnackte Marion Michael durch die Dschungel-Schwüle. Doch schon früh versucht Krüger, der 1943 als Adolf-Hitler-Schüler in dem Ufa-Propagandafilm „Junge Adler“ debütierte, den Klischees zu entkommen.

1952 veröffentlicht er einen offenen Brief, mit dem er sich dagegen wehrt, auf die Rolle des „netten jungen Mannes“ festgelegt zu werden. „Ich möchte zeigen, daß meine schauspielerischen Möglichkeiten nicht mit diesem Charakter-Lausbub-Typ erschöpft sind“, schreibt er und kündigt eine „ungewöhnliche Liebesgeschichte mit Hildegard Knef“ an: „Illusion in Moll“. Der Film ist aber bloß das, was der Titel verspricht, nämlich ein überfrachtetes Melodram. Die Knef nennt ihn später „a piece of Mist“. Vier Jahre danach spielt Krüger in dem englischen Weltkriegs-II-Abenteuer „Einer kam durch“ einen Wehrmachtspiloten auf der Flucht. Es ist die erste von etlichen Rollen, die ihn in Uniform zeigen: als guten Deutschen, nicht als NS–Herrenmenschen. „V1, V2, VHardy“, jubelt eine Illustriertenüberschrift.

Die kleine Ausstellung versammelt Drehbücher, Standfotos und Texte aus dem Privatarchiv des Schauspielers. Auch Kurioses ist zu bestaunen: ein Kompass des Hobbypiloten oder eine Gürtelschnalle mit Büffelkopf, die ihm John Wayne schenkte. „Die Welt des Hardy Krüger“ – so der Titel – ist groß. Auf einer Karte sind die Orte markiert, an denen er einen Film oder eine Folge seiner Fernsehserie „Weltenbummler“ gedreht hat. Selbst in der Antarktis ist Krüger schon gewesen. Die letzten weißen Flecken liegen im Norden und im Osten der Ex-Sowjetunion.

Filmmuseum Berlin am Potsdamer Platz, bis 1. Februar, Di–So 10–18, Do 10–20 Uhr. Die Filmreihe im Arsenal läuft bis 27. Dezember.

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