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Christian Thielemann

© dpa

Christian Thielemann bei den Berliner Philharmonikern: Ein zarter Traum von Klassizität

Pochende Brust: Christian Thielemann dirigiert Beethoven und Bruckner bei den Philharmonikern, mit Rudolf Buchbinder als Solist.

Es ist ein überraschender Anblick, den Christian Thielemann bei seinem zweiten Philharmoniker-Programm in Folge bietet: Der Dirigent macht sich klein, taucht im ersten Teil immer wieder hinter dem Flügel ab – und ist auch nach der Pause meist tief in den Knien zu erleben. Als Demutsgeste darf man das aber nicht verstehen. Thielemann verfolgt überaus stringent den Plan, in der Philharmonie etwas zu hinterlassen, was Rattle seinem Orchester nach landläufiger Meinung nicht zu geben vermag.

Also konkurriert Thielemann bei Beethovens erstem Klavierkonzert nicht um Haydn’schen Witz, beherzte Akzente und rhythmischen Drive. Vielmehr überführt er diese Musik in einen zarten Traum von Klassizität. Hier drängt nichts wirklich, hier wird ein Klang beschworen. Mit Rudolf Buchbinder, der gerade seinen 70. Geburtstag feierte, hat Thielemann einen Solisten an seiner Seite, der sich zu einem distinguierten Blick auf Beethoven durchgespielt hat. Man merkt ihm an, dass er vom Klavier aus auch Konzerte als Dirigent leitet, für seine feine Zwiesprache mit der Klarinette von Wenzel Fuchs im Zweiten Satz braucht er keinerlei Koordinationshilfe.

Auch bei Bruckners Siebter bricht Thielemann mit den vermeintlichen Hörgewohnheiten des Hauses, löst – beinahe schon im Entengang – das Blockhafte seiner Symphonien auf und verwandelt es in eine Flut von an- und abschwellenden Klangintensitäten. Darin geht dann auch der Puls auf, das große Pochen in Bruckners Brust. Christian Thielemann ersetzt es durch akribisch gestaffelte Streicher und zeigt ausgiebig, wie sorgfältig er das mit den Philharmonikern vorbereitet hat.

Doch diese ostentative Liebe zum Detail führt bei Bruckner, dem Großmeister der Form, nur bedingt ans Ziel. Unter Thielemanns beschwörenden Händen wirkt der interpretatorische Aufwand am Ende gewaltiger als der kühne Entwurf des Komponisten. Die Siebte steht auf dem Kopf, während ihre Beine reglos in den kalten Winterhimmel weisen.

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