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Eine Ausstellung über Amos Kolleks New-York-Filme: Frauen sind einfach glorreicher

Meister und Muse: Amos Kollek und Anna Thomson eröffnen eine Ausstellung über ihre New-York-Filme

Das Alleinsein in der Stadt ist das Schmerzlichste, denn es findet unter Menschen statt. Keiner hat dies eindringlicher auf die Leinwand gebracht als der jüdische Regisseur Amos Kollek und seine Muse Anna Thomson. Ihre New-York-Trilogie, die Filme „Sue“ (1997), „Fiona“ (1998) und „Bridget“ (2002), erzählt von gestrandeten Frauen, die ihre Chance verpasst haben, aus Furcht, Gewohnheit oder Stolz für sich bleiben und verglühen, ohne eine Lichtspur zu hinterlassen.

Zur Veröffentlichung der Filme auf DVD fanden sich Kollek und Thomson am Wochenende dort ein, wo auch Berlin Urbanität verbreitet: in einer herrenlosen, aber fein möblierten Wohnung im dritten Stock des Henselmann Towers in der Karl-Marx-Allee. Eine Ausstellung im Erdgeschoss zeigt Fotos von Kolleks Ehefrau Osnat, die sie während der Dreharbeiten machte oder bei den Berlinalen, bei denen Amos Kollek mit jedem dieser drei Filme vertreten war. Erst mit „Sue“, sagt Kollek, der als Schriftsteller begann und sich das Filmemachen selbst beibrachte, habe er seinen Weg gefunden. „Wir gingen zielgerichtet an den jeweiligen Drehort. Spätestens nach drei Minuten begannen wir mit dem Dreh. Ohne Probe filmten wir nur einen Take und nach zehn Minuten waren wir verschwunden, ohne dass die Leute überhaupt bemerkten, dass wir da waren.“

Sechzehn Tage braucht er für einen Film, manchmal besteht seine Mannschaft nur aus ihm, seiner Frau Osnat, Anna Thomson und Kameramann Ed Talavera. Für mehr reicht das Geld nicht, mehr hätte dem intimen und quasi-dokumentarischen Charakter seiner Filme aber auch nicht gut getan. Für „Fiona“ arbeitet Kollek mit Prostituierten und Süchtigen in einem New Yorker Crackhouse. „Es war Thanksgiving“, erinnert sich Anna Thomson. Amos rief an, und fragte, was sie gerade tue. Sie machte ihn darauf aufmerksam, dass heute Thanksgiving sei. „Vergiss deine Familie, vergiss den Truthahn. Wir treffen uns um zwölf in einem Crackhouse.“

Thomson, die bis dahin in Clint Eastwoods „Erbarmungslos“ oder Oliver Stones „Wall Street“ in Nebenrollen zu sehen war, wurde zur kongenialen Verkörperung von Kolleks Frauenfiguren. Frauen, die irgendwann jenseits der 40 plötzlich aufwachen, und feststellen müssen, dass sie ganz alleine sind. Kollek formte sie nach lebenden Vorbildern und versah sie mit einer eigentümlichen Würde, die sich das Recht auf Zurückweisung von Zuneigung vorbehält.

„Ich denke heute wieder viel darüber nach und habe einen etwas anderen Blick darauf“, sagt Kollek. „Ich glaube, es gibt manchmal neben dem Stolz auch einen latenten Willen zur Selbstzerstörung, wenn die Energie fehlt, weiterzumachen. Das hier ist übrigens auch so ein Fall.“ Kollek klopft auf den Gips an seinem linken Fuß. Er hatte mit seinen Töchtern Fußball gespielt, wollte ihnen beweisen, wie gut er dabei immer noch ist. Da riss ihm die Achillessehne. „Das war nicht nur Leichtsinn. Ich befand mich in einer sehr gestressten Situation, aus der ich wohl unbewusst einen Ausweg suchte. Und den habe ich dank meiner Töchter auch gefunden.“

Sie sind schon ein merkwürdiges Doppel, dieser warmherzige Kollek, der beim Sprechen mit seinem Englisch ringt, den Oberkörper nach vorne und den Blick an die Decke wirft, und Thomson in ihrer seltsam zerbrechlichen Diva-Pose mit dem sehr geraden Rücken. Sie kommt von Dreharbeiten, ihre schneeweißen Storchenbeine sind von blauen Flecken gezeichnet. Schwer zu sagen, was noch naturbelassen ist an diesem rätselhaften Gesicht, dessen Bestandteile einfach nicht recht zueinander passen wollen. Es ist der pure Expressionismus – man braucht nur die Kamera draufzuhalten.

Die Ausstellung ihres Körpers ist für Anna Thomson ein selbstverständlicher Teil ihrer Arbeit. Für Sue, Fiona und Bridget ist Sex die letzte noch mögliche Form von Intimität, so sehr, dass sie mit Abwehr reagieren, wenn ein Mann auch etwas anderes sucht. „Es ist leichter, nur mit Sex zu kommunizieren, weil man nicht verletzt werden kann“, sagt Thomson. „Stellen sie sich vor, ich käme zu ihnen an den Tisch und sage: Ich brauche einen besten Freund! ,Zu mir oder zu Dir’ ist viel einfacher.“ Männer kommen in Kolleks Filmen nicht gut weg. Wenn sie überhaupt darin vorkommen. Warum, fragt die Prostituierte Fiona einmal, sind diese Kreaturen nur immer so voller Angst? „Die Zeile stammt nicht von mir“, wirft Kollek ein, Anna widerspricht ihm nicht. „Für Männer ist alles viel schwerer“, sagt sie. „Es wird so viel von ihnen verlangt, wenn sie nicht mitmachen, gelten sie als Verlierer.“ Kollek entgegnet: „Mich interessieren Frauen einfach viel mehr. Sie sind viel glorreicher, auch wenn das nicht in der Zeitung steht.“

Sein Vater stand oft in der Zeitung. Dass er, und nicht die Mutter, so berühmt war, empfand Kollek damals als ungerecht. Teddy Kollek war fast dreißig Jahre Bürgermeister von Jerusalem, er gilt neben Itzhak Rabin als eine Ikone der Friedensbewegung. Sein Sohn Amos ist mit seiner Familie im letzten Jahr von New York zurück nach Jerusalem gezogen. Seine beiden Töchter, die zu Hause Hebräisch sprachen und Englisch in der Schule, wollte er lieber in Israel aufwachsen sehen. „Ich möchte, dass sie ihre Wurzeln kennen. Ich möchte nicht, dass sie zu Amerikanerinnen werden.“

Die DVDs „Sue“, „Fiona“ und „Bridget“ erscheinen am 20. Juni bei monitorpop. Die Ausstellung „The Movies of Amos Kollek“ ist bis 26. Juni zu sehen, tgl. 16–20 Uhr, Henselmann Tower, Strausberger Platz 19.

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