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Elaha (Bayan Layla) verschweigt ihrem Verlobten Nasim (Armin Wahedi) eine für sie gefährliche Wahrheit.

© Camino Filmverleih

„Elaha“ im Kino: Jungfräulichkeit – um jeden Preis? 

Regie-Debütantin Milena Aboyan erzählt die Geschichte einer jungen Deutsch-Kurdin, die für ihre sexuelle Selbstbestimmung kämpft. Nicht nur innerhalb der eigenen Familie.

Elaha scheint durch ihr Leben zu stolpern. Sie ist 22, hilft in einer Wäscherei aus, macht eine Art Berufsvorbereitungskurs und steckt mitten in ihren Hochzeitsplanungen. Aber so richtig glücklich oder gar entschlossen wirkt die junge Deutsch-Kurdin nicht.

Will sie ihr Abitur nachmachen? Unklar. Ist sie glücklich in ihrem Job? Nein. Liebt sie ihren Verlobten Nasim? Man weiß es nicht so recht. Schnell stellt sich heraus, dass es einen guten Grund für ihre Zukunftsangst gibt: Elaha ist keine Jungfrau mehr. Warum, wird nicht klar, und mit wem sie intim geworden ist, interessiert ebenfalls nicht. Nur, dass es ein Problem ist, das gelöst werden muss. Oder?

„Elaha“ ist Milena Aboyans Abschlussfilm an der Filmakademie Baden-Württemberg und wurde 2022 beim Festival Locarno mit einem Förderpreis ausgezeichnet. Wie so viele Debüts will auch dieses manchmal etwas zu viel, stellt zu viele Problemstellungen und Fragen in den Raum. Aboyan gelingt es dennoch, den Fokus auf ihre Hauptfigur zu legen und ihre persönliche Entwicklung von Angst über Wut bis zur aufkeimenden Hoffnung auf Selbstbestimmung nachzuzeichnen.

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Das liegt auch an der umwerfenden Präsenz von Bayan Layla, die mit minimalistischer Präzision Elaha im besten Sinne des Wortes verkörpert. Die engen Lebensverhältnisse – emotional wie mental und physisch in der beengten Wohnung mit ihrer Familie – fangen Aboyan und ihr Kameramann Christopher Behrmann, der dicht an der Protagonistin bleibt, auch visuell ein.

Hinter Elahas stiller Verzweiflung einer zur Perfektion getriebenen jungen Frau, die perfekte Tochter, perfekte Schwester und perfekte Verlobte sein möchte, wird gleichzeitig auch das Bedürfnis nach einem anderen, vielleicht freieren Leben spürbar. Eindrücklich zeigt Aboyan, selbst Tochter jesidischer Einwander:innen, wie die patriarchalen Regeln (zentral natürlich das Diktat des unverletzten Hymens) nicht unbedingt immer von den Vätern perpetuiert werden; sie sind hier abwesend bis völlig schwach und durch Flucht und Migration traumatisiert.

Elaha (Bayan Layla) mit Freundinnen Berivan (Cansu Leyan) und Dilan (Beritan Balci) nachts auf einer Treppe.

© Camino Filmverleih

Auch die Frauen der Gemeinschaft und die in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Kinder der zweiten Generation stehen unter dem Zwang der Tradition. Selbst ihre beste Freundin, die ebenfalls mit Männern schläft, streitet gegenüber Elaha jegliche Transgression der ungeschriebenen Regeln ab. Kein Vertrauen, nirgends.

Alternative zur Hymenrekonstruktion

Wie eine gute Fee wirkt da die Figur der Ausbildungsleiterin, voller Empathie gespielt von der immer sonnigen Hadnet Tesfai. Sie versucht zu Elaha durchzudringen, ihr andere Optionen zu präsentieren: sei es das Abitur, die Entscheidung gegen eine frühe Ehe oder auch nur gegen eine Hymenrekonstruktion.

Sie ist in ähnlichen Verhältnissen wie das Mädchen aufgewachsen und könnte als Vorbild für ein selbstbestimmtes Leben jenseits vorgegebener Rollenbilder dienen. Doch in ihrer Verzweiflung ist Elaha für derartige Gedanken nicht empfänglich – vorerst. Erst als die Mutter ihres Verlobten einen ärztlichen Nachweis ihrer „Unschuld“ einfordert, beginnt sie, die Konventionen ihrer Gemeinschaft infrage zu stellen.

„Elaha“ steht in einer Linie mit Filmen wie „Bend It Like Beckham“ oder „Gegen die Wand“. Doch so wichtig es ist, diese Geschichten von jungen Frauen zu erzählen, die ihr Leben selbstbestimmt leben wollen, entkommen diese Filme bestimmten Klischees und Dynamiken letztlich nicht. Ja, manche migrantisierte Frauen haben mit gesellschaftlichen Repressionen wie Elaha zu kämpfen.

Aber genauso gäbe es inzwischen noch so viele andere Geschichten zu erzählen, die weniger klischeehaft von strengen Eltern und patriarchalen Unterdrückungsverhältnissen handeln. Sehenswert ist Milena Aboyans Film – schon wegen Bayan Layla – allemal. In Zukunft wären aber auch neue Narrative wünschenswert.

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