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Wade führt seine Flamme Ember in die Wasserstadt ein, wo an jeder Ecke eine Gefahr lauert.

© PIXAR/Pixar

„Elemental“ im Kino: Feuer und Wasser ziehen sich an

Pixar did it again! Der Animationsfilm „Elemental“ findet eine fantastische Metapher für die amerikanische Immigrations-Erfahrung. Und erzählt zudem eine hinreißende Coming-of-Age-Romanze.

Von Andreas Busche

Social Distancing ist in Element City überlebenswichtig, zumindest für die drei größten Bevölkerungsgruppen der Wasserstadt: Erde, Luft und Wasser. Das Feuer musste sich hingegen an der Peripherie der New-York-ähnlichen Metropole ansiedeln, mit gebührendem Sicherheitsabstand, um den sozialen Frieden nicht zu gefährden. Die Balance der vier Grundelemente des irdischen Lebens, wenigstens nach den Lehren von Empedokles vor 2500 Jahren, ist in Element City nur gewährleistet, indem das Feuer aus der Gemeinschaft ausgeschlossen wird.

Fire City ist den urbanen Nachbarschaften nachempfunden, in denen ethnische Minderheiten ihre Traditionen in jahrzehntelanger Assimilation an das moderne Großstadtleben angepasst haben. Das „Andere“ ist nicht nur durch seinen Aggregatzustand markiert, sondern auch durch die Sprache, das Essen – und die Zerstörungskräfte, die dem Feuer zugeschrieben werden.

Migration in Element City

„Elemental“, der zweite Pixar-Film von Regisseur Peter Sohn, zweite Generation koreanischer Einwanderer, stellt eine Abkehr von den bisherigen Konzepten des Studios dar – überhaupt von allen jüngeren Animationsfilmen des Mutter-Konzerns Disney. Statt wie in „Ratatouille“, „Coco“ oder zuletzt „Rot“ universale Geschichten einfach in andere kulturelle Kontexte zu übertragen, erzählt Sohn eine „amerikanische Geschichte“ aus der Perspektive einer Einwandererfamilie.

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Die Lumens, züngelnde Flammenwesen, landen voller Hoffnung auf ein neues Leben in Element City, um zwanzig Jahre später zu realisieren, dass sie nie wirklich in ihrer Wahlheimat angekommen sind. Eine Bürde, die die nächste Generation übernehmen muss: Tochter Ember ist mit dem Erwartungsdruck der Eltern aufgewachsen, hofft am anderen Ende der Wetro, der einzigen Zugverbindung in die Wasserstadt (die regelmäßig eine bedrohliche Bugwelle auf die Feuersiedlung herabschießen lässt), aber auf eine bessere, selbstbestimmte Zukunft.

Wasser kennt keine Hindernisse

Kein Animationsstudio versteht es so gut wie Pixar, komplexe soziale, psychologische und zwischenmenschliche Zusammenhänge in eine unmittelbar verständliche, immer auch visuell originelle Bildsprache zu übersetzen: die volatile Gefühlswelt eines Elfjährigen in „Alles steht Kopf“, das Konzept eines möglichen Lebens nach dem Tod in „Soul“.

Element City ist eine stilisierte Version des Melting Pots New York, mit einer klaren Hierarchie. Wasser lebt in den transparenten Wohntürmen hoch über der Stadt, die ganz nach den Bedürfnissen der herrschenden Klasse ausgerichtet ist. Sein flüssiger Aggregatzustand kennt keine Hindernisse – sodass eines Tages ein städtischer Wasserinspektor durch ein Leck in der Kanalisation im Keller des baufälligen Geschäfts von Embers Vater landet.

Ember rast auf ihrem Scooter durch Fire Town.
Ember rast auf ihrem Scooter durch Fire Town.

© PIXAR/Pixar

„Die Elemente mischen sich nicht“, die Weisheit hat die Mutter ihrer Tochter mit in die Wiege gelegt. Und tatsächlich könnten das rebellische Temperament des Feuerkinds und der buchstäblich nah am Wasser gebaute Wade kaum gegensätzlicher sein. Aber der Wassermann öffnet ihr eine Tür in eine andere Welt – auch wenn er dem Vater zunächst ein Bußgeld für das heruntergekommene Gebäude aushändigt. Eine Woche hat Ember Zeit, um das elterliche Geschäft – und damit den Lebenstraum der Eltern – zu retten. Doch die Lösung liegt in der Wasserstadt, wo an jeder Ecke Gefahr für die heißspornige Flamme mit dem losen Mundwerk droht.

Die Elemente fungieren in „Elemental“ gleichzeitig als kulturelle wie auch soziale Marker, letzterer in Reminiszenz an „Romeo und Julia“. Können sich Wade und Ember näherkommen, ohne sich gegenseitig auszulöschen – und damit die gesellschaftlichen Stigmata überwinden? Aber auch, wenn die Geschichte im Grunde ganz einfach ist, verlangen Sohn und sein Autorinnenteam den jüngeren Fans einiges an Aufmerksamkeit ab.

Pixar war immer geschickt darin, in den Filmen unterschiedliche Komplexitätsgrade zu vermischen. Die Coming-of-Age-Geschichte spricht eher das jüngere Publikum an, das mit den kulturellen Komplikationen noch wenig anfangen kann. Aber für die Binse, dass Gegensätze sich anziehen, findet „Elemental“ ein schönes, romantisches Bild: Wenn Ember und Wade sich das erste Mal berühren, bringt sie seinen Wasserkörper zum Köcheln. Gemessen an den sexuellen Verklemmungen in Disney-Filmen, ist „Elemental“ geradezu körperlich.

Diese zugegeben einfache Pixar-Pädogogik kann auch hier nur funktionieren (das gilt nicht für jeden Film des Studios), weil die Lebenswelten in „Elemental“ bis ins letzte, liebevoll gestaltete Detail einen fantastischen Bilderbogen öffnen, der selbst die Aggregatzustände der Elemente zu emulieren scheint. Die amerikanische Einwanderungsgeschichte war, nicht erst seit „West Side Story“, schon immer eine verkappte Liebesgeschichte. Aber noch nie wurde sie so elementar und hinreißend erzählt.

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