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Die Schauspielerin und Autorin Elizabeth Blonzen.

© Doris Spiekermann-Klaas

Elizabeth Blonzen: Ein sicherer Ort: "Schwarz tragen" am Ballhaus Naunynstraße

Elizabeth Blonzen ist Schauspielerin und Drehbuchautorin. Ihr erstes Theaterstück spielt in einer WG von Schwarzen und hat beim Black Lux-Festival im Ballhaus Naunynstraße Premiere. Zu Besuch bei der Probe.

Ein Weißer in der WG? Für Eric und Cyrus ist das ein No-Go. Die engagierte Vicki hält dagegen: „Glaubt ihr, wenn ein Weißer hier duscht, wird die Dusche dreckig?“ Aber selbst Joy, sonst durch wenig zu bekümmern, wird unwohl bei der Vorstellung, so einen Mitbewohner am Frühstückstisch zu treffen: „Dann ist mir noch vor dem ersten Kaffee klar, dass ich nicht weiß bin. Weißt du?“

Probe im Ballhaus Naunynstraße. Erarbeitet wird das Stück „Schwarz tragen“ von Elizabeth Blonzen, die an diesem Abend auch auf der Zuschauertribüne sitzt und sich den ersten Durchlauf ansieht. Die vier Schauspieler Thelma Buabeng, Sheri Hagen, Ernest Allan Hausmann und Thomas B. Hoffmann verhandeln – so viel lässt sich schon erkennen – mit beachtlichem Gespür für Zwischentöne und Witz die Konflikte, die Blonzen zu Papier gebracht hat. Und die auf mehreren Ebenen die Realität spiegeln.

Die Schauspielerin, Drehbuchautorin und Debüt-Dramatikerin, die aus Gerolstein in der Eifel stammt und an der Otto-Falckenberg-Schule in München Schauspiel studiert hat, erzählt anderntags beim Gespräch im Ballhaus vom Entstehungsprozess ihrer bitterkomischen Theater-Sitcom über eine schwarze WG in Berlin. „Ich hatte ein Stück schon halb fertig, in dem auch Weiße vorkamen“, so Blonzen. Alles andere wäre ihr rassistisch erschienen: „Mein Mann ist weiß, meine Mutter, meine Kinder sind es“, warum jemanden ausschließen? Wagner Carvalho, künstlerischer Leiter und Initiator des Festivals Black Lux am Ballhaus, wünschte sich die WG aber ausdrücklich als „safe space“. Als utopischen Raum, in dem die Schwarzen mit ihren Anliegen sichtbar werden können, ohne sich unentwegt in Bezug zur Mehrheitsgesellschaft setzen zu müssen. Blonzen hat das schließlich eingeleuchtet. Also schrieb sie ein neues Stück.

Die Protagonisten in „Schwarz tragen“, das Regisseurin Branwen Okpako zur Premiere bringt, haben gute Berufe, sie sind Model, Rechtsanwältin, Werbefachmann. „Sie sind in der bürgerlichen Mitte angekommen, ihr Hauptthema ist nicht die Rassismusdebatte“, betont Blonzen. Womit sie schon revolutionär wirkt. In der deutschen Theater-, Film- und Fernsehlandschaft geben andere Stereotype den Ton an. Natürlich würde sich auch die Autorin wünschen, dass sie das Schwarzsein gar nicht erst zum Thema machen müsste: „Aber so weit sind wir leider noch nicht.“ Elizabeth Blonzen – die sich das Z in ihrem Vornamen als Zeichen von schwarzem Selbstbewusstsein und aus Protest gegen eine Mutter zugelegt hat, die den amerikanischen Vater stets verleugnete – hat eine Reihe eigener Diskriminierungs-Erlebnisse ins Stück eingebracht: „Pures Dokumentartheater“, lacht sie. Kommentare über Haut, Haar und Herkunft, ins Groteske gewendet.

Blonzen lebt nach dem Motto: Behandele andere so, wie du selbst behandelt werden möchtest. Bloß wird das häufig nicht erwidert. Beispiel: die N-Wort-Debatte. Oft hat sie sich gerade von linksintellektueller Seite etymologische Belehrungen angehört, weshalb das Wort verwendet werden dürfe. Mittlerweile entgegnet sie: „Sag es, wenn du musst. Immer wieder, Tourette-mäßig. Aber ich mag es nicht. Und ich mag dich nicht, wenn du es benutzt.“

Blonzen ist eine entschiedene Gegenerin des Blackfacing

Im künstlerischen Beruf lassen sich noch ganz andere Erfahrungen machen. Wobei Blonzen auf der Schauspielschule in München „unwahrscheinliches Glück“ hatte. Als Schauspielerin, die sich mehr über Sprache als über den Körper definiert, konnte sie früh die großen dramatischen Mädchenrollen spielen. Und hat sich, befeuert von Anfänger-Chuzpe, auch an Theatern stets mit den Klassikern vorgestellt, ohne dass über Farben geredet wurde. „Es gibt ja keine weißen Rollen“, gibt Blonzen zu bedenken, „nirgendwo steht: Hamlet, weiß“. Markiert würden nur schwarze Parts.

Sie sagt aber auch, der Markt sei heute härter geworden. Und in der Filmbranche gehe es ohnehin schubladenfixiert zu, von dem Gewerbe hat sie sich mittlerweile verabschiedet. In „Schwarz tragen“ soll die angehende Schauspielerin Joy beim Casting eine Asylbewerberin performen, die ruft „Ich liebe dieses Land!“. Basierend auf wahren Begebenheiten. So wie sich Blonzen bei einer Casterin auch schon mal im Ordner „Exoten“ wiederfand. Dabei sei das Publikum oft viel weiter, ist sie überzeugt. Kein Zuschauer nahm zum Beispiel Anstoß daran, dass Blonzen in einer Serie die Sekretärin von Uschi Glas mit bayerischem Dialekt verkörperte.

"Ich musste ja auch lernen, schwarz zu sein"

Die Schauspielerin und Autorin Elizabeth Blonzen.

© Doris Spiekermann-Klaas

Die Schauspielerin ist eine entschiedene Gegnerin des Blackfacing, das zuletzt an deutschen Theatern wiederholt für Diskussionen gesorgt hat. Sie sagt aber genauso bestimmt: „Jeder soll alles spielen dürfen“, jenseits des Schwarz-Weiß- Denkens. Theater, das hat ihr schon der Direktor der Falckenberg-Schule überzeugend vermittelt, ist schließlich Behauptung. Jetzt müssen bloß noch die Bühnen farbenblind werden. Das Gorki-Theater unter Intendantin Shermin Langhoff, dessen Ensemble die 1968 geborene Blonzen seit dieser Spielzeit als Gast angehört, sei „das erste Haus in meinem 20 Bühnenjahren, wo Herkunft tatsächlich kein Besetzungsthema ist“.

Spiegelt sich in ihrem Stück ein neues, afropolitanes Berlin? Blonzen mag den Begriff, der aber freilich nach Differenzierung verlangt. Bei „afro“ begonnen. Die Künstlerin kennt sich beispielsweise mit Griechenland besser aus als mit Nigeria. Als Tochter eines Amerikaners war ihr die dortige Kultur stets nahe, auch der Jazz, den sie schon in der Schul-Big-Band spielte. Sie hat sich viel mit der Black-Power-Bewegung beschäftigt, mit den Schriften von Malcolm X, hat manches während der Arbeit an ihrem Stück noch einmal aufgefrischt oder sich angeeignet. Irgendwann im Laufe des Gesprächs sagt sie den bemerkenswerten Satz: „Ich musste ja auch lernen, schwarz zu sein.“

Die Black Community Berlins steht auch nicht unmittelbar in der Tradition einer Audre Lord, die als Autorin und Aktivistin Mitte der 80er hier viel bewegt hat, festgehalten in der Dokumentation „The Berlin Years“ von Dagmar Schultz. Elizabeth Blonzen beschreibt die Vielzahl von Identitäten, Anliegen und auch Kämpfen um Deutungshoheit unter den Schwarzen der Hauptstadt. Es ist ein Zustand der Suche, der Selbstfindung. Der Gemeinschaftsgedanke, der ihr Stück trägt, ist noch nicht verwirklicht, „das braucht mindestens noch eine Generation“, glaubt sie.

Immerhin, es gibt Hoffnung für die Zukunft. Elizabeth Blonzen erzählt von ihrem Sohn, der ein leidenschaftlicher Basketballspieler ist. Er sage oft, er beherrsche das Spiel so gut, weil er schwarz sei. Wen kümmert’s da schon, dass der Junge strohblonde Haare hat?

„Schwarz tragen“: Premiere am 24.9., 20 Uhr am Ballhaus Naunynstraße. Weitere Vorstellungen 26. bis 30.9., 20 Uhr

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