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Kultur: Endlich frische Luft!

Im Kino: StéphaneVuillets „25 Grad im Winter“

Als Miguel (Jacques Gamblin) im Restaurant nach Sonjas Mann fragt, kann er die sprachlichen Vorzüge eines belgischen Bürgers unter Beweis stellen: Französisch, flämisch und deutsch geht das Gespräch hin und her, außerdem ab und zu spanisch. Denn Miguel ist spanischer Einwanderer. Seine Mutter Abuelita (Carmen Maura) ist ständig mit von der Partie, wenn sich an diesem ungewöhnlich warmen Januartag alles um die Ukrainerin Sonja (Ingeborga Dapkunaite) dreht. Eigentlich würde zu diesem Multikulti-Gemisch also auch Ukrainisch gehören, aber das wäre von der aus Litauen stammenden Darstellerin zu viel verlangt. Beim Finale, als Sonja wie eine Furie durch das feine, neue Zuhause ihres endlich aufgespürten treulosen Ehemannes rast, hört man denn auch kräftige russische Verwünschungen.

Die turbulente Komödie, über die sich vor einem Jahr bereits das Berlinale-Publikum freute, will auch gar nicht viel von Sonja erzählen, die daheim neun Monate lang kein Gehalt bekam und darum nun, wer weiß wie, nach Belgien kam. An diesem Morgen wäre sie auf dem Brüsseler Flughafen in eine Maschine via Heimat gesetzt worden, hätte nicht ein Bürgerkomitee pro Asyl das Polizeiauto gestoppt und Sonja zum Weglaufen aufgefordert. Da stand Miguels Wagen, der eigentlich einen Fluggast abholen sollte, gerade günstig. Welcher gute Spanier hilft nicht, wenn die Polizei jemandem auf den Fersen ist? Zuhause im Schrank hängen die Kleider seiner in Amerika lebenden Frau, an deren Rückkehr wohl nicht zu denken ist. Miguel hat ein gutes Herz, Sonja sucht ein neues Zuhause: Um den Ausgang dieser Geschichte braucht es niemandem bange zu sein.

Carmen Maura als heimliche Hauptdarstellerin, spanische Immigranten, eine aufgeregte Handlung – offensichtlich hat sich der 1969 in Grenoble geborene, in Belgien lebende Regisseur Stéphane Vuillet den großen Spanier Pedro Almodóvar bei seinem Debüt zum Vorbild genommen. Wie in dessen Werken verfügen auch Vuillets Figuren über ein nimmermüdes Mundwerk; kaum einmal kommt die Handlung zur Ruhe. Was fehlt, sind jedoch Momente, wo einem der Atem stockt und sich hinter der Story ein blühendes Geheimnis auftut. Alle Herzensdinge fügen sich nach französischer Logik. Dass zwei Einsame, fast Verlorene in dieser Welt füreinander zu brennen beginnen, versteht sich hier ohne viel Aufregung wie von selbst, auch wenn es im Leben selten so einfach zugehen mag.

Das Schönste in „25 Grad im Winter“ sind die Dialoge: Unbedingt sollte man den Film in der Originalfassung mit Untertiteln sehen. Carmen Maura ist unvergesslich, wenn sie mitten im Winter ihren Fächer hervorzieht und sich seufzend frische Luft zuwedelt. Und dem Charme des fast ebenso bekannten Jacques Gamblin als freundlicher und zuweilen vergesslicher Mann von nebenan, dem keine Zeit zum Rasieren bleibt, wird sich das Publikum kaum entziehen können. Was für eine nette Idee, dass er, den das Leben enttäuscht hat, in der Ukrainerin Sonja die ideale Ergänzung findet. Am Ende hängt diese wohlgemute Komödie wohl doch einem Traum nach.

In Berlin in den Kinos Central, Kulturbrauerei, OmU im Eiszeit

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