zum Hauptinhalt
Am Klavier: Dudana Mazmanishvili, die Kulturbotschafterin Georgiens in Deutschland.

© Kai Bienert / Young Euro Classic

New Georgian Philharmonic beim YEC: Endlich mal ein Wagnis!

Ein Abend völlig ohne Klassiker: Das New Georgian Philharmonic verzichtet bei Young Euro Classic auf Beethoven & Co. - und gewinnt das Publikum für sich.

Endlich mal ein Konzert, das etwas wagt. Das komplett auf Beethoven, Brahms, Mozart oder Tschaikowsy verzichtet, das ganze Erfahrungsgepäck an Bekanntem, häufig Gehörtem abwirft, die Ohren aufsperrt, sie durchputzt. Neuen Eindrücken eine Chance! Einen Abend völlig ohne Klassiker hat man selbst bei einem Festival wie Young Euro Classic, das oft und mit Erfolg Unkonventionelles ausprobiert, nicht oft. Für das Konzert mit dem New Georgian Philharmonic erklingen im Konzerthaus nur Werke von Arvo Pärt und Giya Kancheli, der selbst in Reihe 1 sitzt. Zwei Komponisten, beide dieses Jahr 80 geworden, beide geprägt vom Widerstand gegen die Kunstpolitik der Sowjetunion, zu der Estland (Pärt) und Georgien (Kancheli) gehört haben. Zwei, die unbeirrt ihre eigenen künstlerischen Wege gegangen sind und deren Werke für östliche wie westliche Ohren gleichermaßen eine Irritation darstellen können.

„Warzone“ von Kancheli: Ein Spiel mit Laut und Leise, krawallige, pompöse, blechern-leere Passagen wechseln sich ab mit einer zarten Bratsche (Giorgi Zagareli). Eigentlich sollte es ein Stück über die Liebe werden („Vorzon“ auf Ossetisch), doch als Kancheli klar wurde, dass dieses Wort wie das englische „Warzone“ klingt, wählte er es als neuen Namen. Es ist ein Titel, der die Rezeption lenkt, ähnlich wie bei Schumanns „Kinderszenen“ – obwohl er nachträglich entstanden ist.

Töne für ein offenes Publikum

Der Chefdirigent des Orchesters, Nikoloz Rachveli, macht Platz am Pult für seinen Kollegen Andres Mustonen, der mit weit ausschwingenden Armbewegungen Pärts „Für Lennart in memoriam“ (2006) dirigiert: Streicherkantilenen, die den Tod des estnischen Präsidenten Lennart Meri betrauern. Der Verstorbene selbst hat die Komposition in Auftrag gegeben – eines der kleinen Momente der Irritation, die an diesem Abend so zahlreich sind. In Kanchelis „Silent Prayer“ umspielen sich dann Geige und Bratsche wie an einem flirrend heißen Sommernachmittag, begleitet von einem Knabensopran vom Band.

In „Credo“ (1968) nimmt Pärt das C-Dur-Präludium aus Bachs „Wohltemperiertem Klavier“ und lässt daraus eine Zwölftonreihe und aleatorisches Chaos erwachsen, am Klavier sitzt Dudana Mazmanishvili, die Kulturbotschafterin Georgiens in Deutschland. Zum Schluss tröstet die Solobratsche die Verstorbenen, die in Kanchelis „Styx“ den Fluss überqueren müssen. Es sind Töne, die – wie der ganze Abend – auf ein offenes und aufnahmebereites Publikum treffen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false