zum Hauptinhalt

Kultur: Energie und Atem

30 Jahre Mandelring Quartett: ein Jubiläumskonzert im Kammermusiksaal.

30 Jahre spielt das Mandelring Quartett nun schon in aller Welt, hochgelobt für seine Expressivität und Homogenität, eingeladen von den renommiertesten Festivals und geehrt mit zahllosen Preisen. Mehr als unverständlich ist es deshalb, dass der Kammermusiksaal der Philharmonie beim Berlin-Zyklus zum Jubiläum des Ensembles gerade mal zu einem Drittel gefüllt ist. Denn das Mandelring Quartett gehört auf seinem Gebiet zweifellos zur Weltspitze. Unbezwingbare Virtuosität und lupenreine Intonation sind hier lediglich perfektes Handwerk.

Die delikate Spielkultur, mit der das Streichquartett aus Neustadt an der Weinstraße am meisten beeindruckt, ist die völlige Übereinstimmung in Gestaltung und Affekt. Die Exaktheit des Zusammenspiels zeigt sich nicht nur in gemeinsamer Bogenführung, Atmung oder Akzentuierung, sondern im Durcharbeiten der Partituren, zu deren Grund die Musiker vordringen. Die Geiger Sebastian Schmidt und Nanette Schmidt, der Bratscher Roland Glassl und Cellist Bernhard Schmidt musizieren unaufdringlich, mit einem Höchstmaß an natürlichem Schwung. Nichts, kein Rubato, keine dynamische Differenzierung, ja nicht einmal das leise Flirren eines ersterbenden Akkordausklangs wirkt hier gezwungen.

Beginnend mit Joseph Haydns 55. Streichquartett aus der Apponyi-Reihe, dessen freier symphonischer Horizont sich ganz zwanglos weitet, setzt das Mandelring Quartett mit Berthold Goldschmidt, als „entarteter“ Komponist erst zu späten Ehren gelangt, eine seiner größten Passionen fort. Ohne Goldschmidts düsteres zweites Streichquartett zu überfrachten, entwickeln die vier Musiker hier einen starken programmmusikalischen Sog.

Wie ausgewechselt beweisen die Mandelringer nach der Pause bei Antonin Dvoráks Amerikanischem Streichquartett ein hohes Maß an Gewitztheit. Charmant und voller Esprit entwickeln sie eine Energie, die einen fast erwarten lässt, dass die Musiker gleich von ihren Stühlen aufspringen. Beglückend ist das und wert, als Maßstab intensiven Musizierens weit über dieses außergewöhnliche Konzert hinaus in Erinnerung zu bleiben. Christian Schmidt

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false