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blue man group

© dpa

Erfolgsstory: Völlig blau

Seit vier Jahren trommelt die Blue Man Group in Berlin. Was macht sie so erfolgreich?

Es ist ein Fest der Farbe. Fontänen von Rot, Grün und Gelb schießen nach oben, verharren für einen Augenblick in der Luft, winden sich in Pirouetten und fallen steil wieder nach unten. Ein Farbton fehlt: Blau. Den gibt es nur auf der Haut der drei Männer, die frenetisch auf ihre Fässer eintrommeln und so die Fontänen auslösen. Ein sattes, volles Blau, nicht hell, nicht wirklich dunkel, rätselhaft wie die Tiefen des Meeres.

Warum Blau? Phil Stanton lächelt mild und verzeihend. Er hat diese Frage so oft gehört. „Es gibt keine endgültige Antwort“, sagt er, „es war eine intuitive Wahl. Wir dachten: Würde das nicht überwältigend schön aussehen?“ Außerdem waren sie der Meinung, Blau trage weniger Assoziationsballast mit sich herum als andere Farben.

1988 startete die Blue Man Group in der New Yorker Off-Broadway-Szene, im Astor-Place-Theater. Seitdem zeigt ihre Karrierekurve nach oben. Wobei die wichtigsten Entscheidungen intuitiv fielen: Zu Beginn wussten Stanton und seine Freunde Matt Goldmann und Chris Wink nicht weiter, nachdem sie sich blau angemalt hatten. Also zogen sie durch New Yorker Bars und beobachteten, wie die Menschen reagierten. Es funktionierte ebenso wie die Vereinbarung, nicht zu sprechen, sondern nur mit Gesten zu kommunizieren. Eine kindische Idee, Chronik eines Erfolgs: Showableger eröffneten in Boston (1995), Chicago (1997), Las Vegas (2000) und Toronto (2005), neun Shows sind es bis heute.

Vor vier Jahren kam die Truppe nach Berlin, das Ensemble trommelte zunächst im Theater am Potsdamer Platz und zog im Februar ins ehemalige Imax-Kino gegenüber, das jetzt Bluemax Theater heißt. 1,5 Millionen Menschen haben die Show in der Hauptstadt bisher gesehen, es gibt Parallel-Produktionen in Stuttgart und Oberhausen. Hilfreich ist bei der Vermarktung, dass die 50 Schauspieler, die in Berlin allabendlich die Farbarbeit erledigen, austauschbar sind. Sie sehen ja alle gleich aus.

Wie gelingt es der Blue Man Group, über alle Alters- und Kulturgrenzen hinweg ein so großes Publikum anzuziehen? Vielleicht gibt die Eröffnungsszene eine Antwort, sie enthält wesentliche Elemente der Show: die dominante Farboptik, dazu Effekte, die auf Verblüffung und Überwältigung zielen, und nicht zuletzt die Trommeln, archaische Anklänge.

Eine Show ohne Stars: Die Darsteller sind keine Charaktere, ihre Schminke erlaubt keine Individualität. Allein die Augen bleiben frei, und mit diesen Augen schauen sie auf die Welt, als ob sie jeden Gegenstand, jede Blume, jedes Ofenrohr zum ersten Mal erblicken. Ein Staunen, das sie an den Zuschauer weiterreichen.

Die Blue Man Group spielt noch mit einer weiteren Sehnsucht. Der Mensch ist ein Herdentier, die Show bedient das Verlangen, Teil einer Gruppe zu sein: konform, aber nicht hörig, sondern kreativ. Keine Massenchoreografie, die blauen Männer sind immer zu dritt, „die kleinstmögliche Zahl, mit der man eine Gruppe bilden kann“, sagt Stanton. „Sie könnten tausend Jahre aus der Vergangenheit oder tausend Jahre aus der Zukunft kommen. Sie kommen nicht von außen, sondern aus dem menschlichen Inneren.“ Innerirdische also, mit kindlichem Blick. Stanton nennt es „divergent thinking“, auseinanderdriftendes Denken.

Dieses Denken identifiziert eine Flasche nicht als Flasche, sondern erkennt etwas vollkommen anderes darin, ein Segelschiff vielleicht. Erwachsene verlieren diese Fähigkeit zur verwegenen Fantasie. Die Blue Man Group hat sie sich bewahrt, was ihr zum Beispiel ermöglicht, aus einem kunstvollen Knäuel von PVC-Abwasserrohren die abwegigsten Töne und Geräusche zu destillieren.

Rund fünf Mal pro Jahr schlüpft Phil Stanton selbst wieder in die blaue Maske. Kaum ein Zuschauer weiß dann, dass er einen originalen Blue Man vor sich hat. Ist auch egal. „Wir nennen uns Blue Man, aber in Wahrheit meinen wir Human“, sagt Stanton. Schönes Wortspiel von einem, dessen Show sich das Spielen mit Worten versagt.

Die Blue Man Group tritt täglich außer Montags im Bluemax-Theater am Potsdamer Platz auf. Mehr Infos unter: www.stage-entertainment.de.

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