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Kultur: Erhebt euch!

Das Unsichtbare Komitee ruft nach der Revolution

Dieses Buch sei das böseste, das er seit langem gelesen habe, verkündete der ultrarechte Fox-News-Moderator Glenn Beck. Daraufhin wurde es kurzzeitig zum meistverkauften bei Amazon. Was ist das für ein Buch, das zugleich der linksliberale Filmemacher Michael Moore zu seiner bevorzugten Lektüre erklärte? „Der kommende Aufstand“ ist ein Rundumschlag gegen die kapitalistische Kultur. Als ob die Verfasser geahnt hätten, dass ihr Manifest hitzige Debatten nach sich ziehen und sogar als Vorwand für die Verhaftung von neun Menschen werde herhalten müssen, haben sie es anonym – unter dem Namen Unsichtbares Komitee – veröffentlicht.

Den Hintergrund bilden die gewalttätigen Unruhen in Frankreich der Jahre 2005 und 2006. Auf 128 Seiten breiten die Autoren situationistisch geprägte Thesen aus, die es in sich haben. Der Kapitalismus stehe am Abgrund, diagnostizierten sie noch vor der globalen Finanzkrise – das französische Original erschien bereits im März 2007. Für das Unsichtbare Komitee ist die Katastrophe kein fernes Ereignis, sondern sie ist schon da.

Das Dilemma des modernen Menschen, der hin- und hergerissen ist zwischen der Notwendigkeit, den Anforderungen des Marktes zu entsprechen und seinem Wunsch nach Individualität und Selbstverwirklichung, stellt den Ausgangspunkt ihrer Überlegungen dar. In sieben Kapiteln – in Anlehnung an Dantes „Göttliche Komödie“ Kreise genannt – beklagen sie die Auflösung sozialer Bindungen, die Ausgrenzung des Fremden, sowie prekäre Arbeitsverhältnisse. Symptomatisch ist für sie Dominique de Villepins Arbeitsgesetz „Contrat première embauche“. Es sollte ermöglichen, junge Angestellte während der ersten zwei Jahre ihrer Beschäftigung ohne Vorwarnung und Begründung zu entlassen. Nicht einmal zwei Monate nach der Ratifizierung wurde es unter dem Druck landesweiter Proteste zurückgezogen.

Linke Theoretiker von Guy Debord bis Toni Negri haben im Denken des Kollektivs Spuren hinterlassen. Im Abschnitt über die Wirtschaft kommen die Verfasser zu einem einfachen Schluss: Die Ökonomie sei nicht in der Krise, sie sei identisch mit ihr. Bis zu diesem Punkt könnte man das Buch als radikale Zivilisationskritik lesen. Der dreistufige Leitfaden zur Revolution im letzten Drittel des Buches – Zusammenschluss in Kommunen, Selbstorganisation im Untergrund, antikapitalistischer Aufstand – mutet hingegen oft fragwürdig an. Daniel Grinsted

Unsichtbares

Komitee:
Der

kommende Aufstand. Aus dem Französischen von Elmar Schmeda. Edition Nautilus, Hamburg 2010. 126 Seiten, 9,90 €.

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