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Kultur: Erich Loest: Sein Leipzig lobt er sich

Wenn man in der Leipziger Lindenbuchhandlung anruft, um sich nach dem jüngsten Buch von Erich Loest zu erkundigen, den "Träumereien eines Grenzgängers", meldet sich die Schwiegertochter des Autors. Sie verkauft sämtliche Loest-Werke, die im assoziierten Linden-Verlag erscheinen, als signierte Exemplare.

Wenn man in der Leipziger Lindenbuchhandlung anruft, um sich nach dem jüngsten Buch von Erich Loest zu erkundigen, den "Träumereien eines Grenzgängers", meldet sich die Schwiegertochter des Autors. Sie verkauft sämtliche Loest-Werke, die im assoziierten Linden-Verlag erscheinen, als signierte Exemplare. Loest hatte den Verlag 1989 in Bad Godesberg gegründet, weil er mit der Verbreitung seiner über vierzig Bücher im Westen unzufrieden war. Mittlerweile ist das Familienunternehmen wieder in Leipzig ansässig. Was für eine Befriedigung muss diese Autarkie für einen Schriftsteller bedeuten, der so sehr von staatlichen Instanzen drangsaliert wurde.

"Leipzig ist unerschöpflich" lautet der Titel einer Vorlesungsreihe von Loest 1985 in Paderborn. Goethes Klein-Paris ist für ihn Schicksal und Themenquell zugleich; man denke an die Romane "Völkerschlachtdenkmal" oder "Zwiebelmuster". Im historischen Reichsgericht, wo einst Carl von Ossietzky verurteilt wurde, nahm das SED-Mitglied Erich Loest 1957 das Urteil "sieben Jahre Haft und Einzug des Vermögens" entgegen. Zum zweiten Mal war damit sein Glaube an ein politisches System gebrochen. In seinem Erstlingswerk "Jungen, die übrig blieben" (1947/48) hatte der ehemalige HJ-Fähnleinführer und Werwolf die Entwicklung einiger Jungen gegen Kriegsende wiedergegeben. Prompt vermissten die Medien der SBZ den positiven Helden. So sollte es ihm auch fortan ergehen.

"Sieben Jahre meines Lebens wurden herausgeschnitten, sieben weitere Jahre brauchte ich, um wieder ein fröhlicher Mensch zu werden", sagte Erich Loest dieser Tage. Bis zum Ende der DDR wurde er nicht rehabilitiert. Unter Pseudonym schlug er sich mit Kriminalromanen durch, bis er 1978 mit "Es geht seinen Gang oder Mühen in unserer Ebene" die DDR-Gesellschaft schmerzhaft ins Herz ihrer Normalität traf. Seine Autobiographie "Durch die Erde ein Riß" fiel dann so ehrlich aus, dass der Verfasser ab 1981 in der DDR keine Heimstatt mehr fand. 31 Ordner zu je 300 Blatt hatte die Stasi bis zu seiner Ausreise über ihn angelegt - ein trauriger Rekord. In der Nikolaikirche, wo 1989 die friedliche Revolution begann, hält sich Loest auch heute noch besonders gerne auf. In der Linden-Buchhandlung dagegen dürfte es heute hoch hergehen - dort feiert man den 75. Geburtstag des Autors.

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