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Kultur: Erinnerungen an Betsy

Eine

von Thomas Lackmann

Während des Wirbelsturms wird der kleine Mann zum Helden. Mit Pokerface stapft er durch tosende Elemente. Er wacht im Bett eines Hospitals auf, das evakuiert wurde, sieht Dächer und Wände davonfliegen, während der Wind sein Bett auf Rädern davonschubst. Eine Hausfassade kippt auf ihn herab, doch er steht genau da, wo ein Fenster in der Fassade geöffnet war. Wenn ringsum die Flut steigt, schläft er tief; beim Erwachen wachsen in ihm Kräfte, sich selbst und seinen im überfluteten Gefängnis eingekerkerten Vater zu retten. Buster Keaton, der Optimist im Kampf gegen Naturgewalten und die Tücke des Objekts, hat vor rund achtzig Jahren in wunderbaren AlbtraumSlapsticks durchgespielt, wie das amerikanische Stehaufmännchen sich nicht unterkriegen lässt.

Als vor vierzig Jahren ein Wirbelsturm die US-Staaten am Golf verwüstete, schrieb der Blues-Sänger Lightnin’ Hopkins die Ballade „Hurricane Betsy“. Sein Blick auf New Orleans hatte mit dem nostalgischen Bild des Europäers, der von Louis Armstrongs Klassikern „Basin Street Blues“ und „New Orleans Stomp“ geprägt ist, wenig zu tun. Hopkins’ Gitarre grummelt schwerfällig. Er berichtet scheinbar gleichmütig: von Betsy, die durch Louisiana zog, so dass die Leute davonrannten und viele umkamen. Hurricane Betsy, wow, she fell down in Louisiana Town. Die Backwater seien im Steigen. Wasser dringe durch alle Türen und Fenster. Sein Freund habe ihn verlassen, er werde sein Gesicht nie mehr sehen. Now I cry. Er müsse an das kleine Mädchen auf den Stufen eines Hauses denken. Er hätte sie gerne noch etwas gefragt. She had to go. Betsy sei plötzlich dahergekommen, habe das Gebäude weggeschwemmt. Eine Tragödie, ein Glück. Zum Überleben gehört: hinterher die Geschichte erzählen.

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