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Beschuldigter: Gegen Dieter Wedel ermittelt die Staatsanwaltschaft.

© Arno Burgi/dpa

Ermittlungen im Fall Wedel: Juristisch relevant

Die Vorwürfe gegen Regisseur Dieter Wedel weisen weit in die Vergangenheit. Trotzdem ist mindestens ein Fall nicht verjährt.

Nun ist aus Dieter Wedel doch noch ein Beschuldigter im Rechtssinne geworden. Die Staatsanwaltschaft München ermittelt gegen ihn. Grundlage dafür ist die Berichterstattung aus der „Zeit“. Mit Einzelheiten hält sich die Behörde zurück, aber es dürfte dabei wesentlich um den Fall der Schauspielerin Jany Tempel gehen. Sie hatte Wedel in dem Bericht vorgeworfen, sie 1996 in einem Münchner Hotelzimmer zum Sex gezwungen zu haben.

Ursprünglich hatte es geheißen, mögliche Straftaten im Zusammenhang mit der Berichterstattung seien wegen des Ablaufs von 20 Jahren seit dem Geschehen verjährt. Wie alle rechtlichen Ansprüche kann auch der Strafanspruch des Staats verjähren, gestaffelt nach dem Strafrahmen für das jeweilige Delikt. Der Gedanke dahinter ist, dass Konflikte auch durch einen langen Zeitablauf befriedet werden können. Es erschiene zudem unverhältnismäßig, jemanden für einen Diebstahl noch nach 30 Jahren zu verfolgen. Sogar ein Totschlag verjährt.

Als Reaktion auf Missbrauchsfälle wurde das Gesetz geändert

Die Staatsanwaltschaft kam bei Wedel offenbar zu einer neuen Bewertung. Grund ist eine Gesetzesänderung aus dem Jahr 2015. Als Reaktion auf Missbrauchsfälle wurde das Ruhen der Verjährung neu geregelt. Menschen, die in ihrer Jugend Opfer geworden sind, sollten damit in die Lage versetzt werden, Täter auch dann noch anzeigen zu können, wenn sie älter geworden sind und die Tat ihnen erst später bewusst wurde. Deshalb ordnet Paragraf 78 b des Strafgesetzbuchs an, dass die Verjährung bei bestimmten schweren Sexualdelikten bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres ruht.

Die Schauspielerin Tempel hatte 1999 ihren 30. Geburtstag. Erst seitdem lief die Verjährungsfrist für eine mutmaßliche Tat aus dem Jahr 1996. Verjährt wäre sie demnach erst 2019. Eine verbotene Rückwirkung von Strafrecht liegt darin nicht. Zum Zeitpunkt der Gesetzesänderung 2015 lag der Vorfall erst 19 Jahre zurück, war also noch nicht verjährt und wurde deshalb noch erfasst.

Bei sexueller Nötigung oder Vergewaltigung sind Zeugen selten

Als Beschuldigten eines Strafverfahrens gilt für den Regisseur natürlich die Unschuldsvermutung, ein Menschenrecht. Widerlegt ist sie erst, wenn er wegen einer Tat rechtskräftig verurteilt wird. Ob es dazu kommt, ist offen. Wedel bestreitet die Vorwürfe.

Damit stellt sich eine in diesem Zusammenhang typische Konstellation: Aussage steht gegen Aussage. In Fällen sexueller Nötigung oder Vergewaltigung sind Zeugen selten. Das bedeutet jedoch nicht, dass Verfahren nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ einzustellen sind, da eine Schuld nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden kann. Die Justiz hat den damaligen Sachverhalt mit den ihr zu Gebote stehenden Mitteln aufzuklären. Sie kann also etwa Personen befragen, denen sich ein mögliches Opfer vor langer Zeit anvertraut hat. Zeitzeugen aus früheren Tagen kamen in der Berichterstattung vielfach zu Wort. Dennoch wird es schwierig werden, einen Vorgang nach so langer Zeit aufzuklären.

Für Wedel hat sich die Situation nicht zwingend verschlechtert

Bisher gibt es nur einen sogenannten Anfangsverdacht. Bis zur Erhebung einer Anklage ist es ein weiter Weg. Die Staatsanwaltschaft müsste zur Überzeugung kommen, dass sich ihr Vorwurf gerichtsfest nachweisen lässt. Bestätigt sich der Verdacht nicht, stellt sie das Verfahren ein. Es handelt sich um ein Offizialdelikt, zu dessen Verfolgung die Behörde verpflichtet ist. Möglich auch, dass sich noch weitere Opfer melden.

Für Wedel hat sich die Situation durch das Ermittlungsverfahren nicht zwingend verschlechtert. Zwischen jenen, die ihm Übergriffe vorhalten, und denen, die ihn verteidigen, hat sich jetzt der Staat in seiner Funktion als Aufklärer eingeschaltet. Das wäre sonst unterblieben. Wedel könnte auch entlastet werden. In den absehbaren Prozessen um die Berichterstattung geht es dagegen um die Frage, ob die Regeln der Verdachtsberichterstattung beachtet wurden.

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