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Kultur: Erschröckliche Ski-Gymnastik

Der Dämon trägt gräßliche Koteletten und dünne Spaghetti-Haare.Furchteinflößend wirkt er nicht, eher traurig.

Von Sandra Luzina

Der Dämon trägt gräßliche Koteletten und dünne Spaghetti-Haare.Furchteinflößend wirkt er nicht, eher traurig.Der Dämon will eine Frau.In der neuen Produktion "Frankula", die im Hebbel-Theater zu sehen ist, lassen Remote Control Productions die Dämonen los: Michael Laubs Faible für B-Movies und Soap-Operas ist bekannt, in "Frankula" hat er mit Frankenstein und Dracula zwei Horrorfilmklassiker gekreuzt und zugleich die Schauerromane von Bram Stoker und Mary Shelley geplündert.Die Trivialisierung des Schreckens ist eine Fährte, die er verfolgt, doch wie immer werden bei Laub auch die Themen Sex und Gewalt verhandelt.

Das Bühnenbild von Marina Abramovic besteht aus einem rosa Stoffmassiv und drei Seziertischen, auf denen die Darsteller zwischendurch abgelegt und hochgeklappt werden.Meist postieren die sich an den beiden Mikrophonen am Bühnenrand.Der Schrecken spukt hier nicht leibhaftig über die Bühne, er erscheint, sprachlich vermittelt, in Form von Erzählung und Bericht, wobei sich Fiktionales und scheinbar Selbsterlebtes mischen.Da werden Filmszenen wiedergegeben, Monstermonologe wechseln mit realen Horrorgeschichten und modernen Schauermärchen ab.Ein voluminöser Amerikaner wartet mit blutrünstigen Hurenballaden auf, die jüngste der Darstellerinen erzählt schaurig-abstruse Geschichten über isländische Jungfrauen.

Zwischendurch soll der Horror wohl doch auf nackten Sohlen kommen.Die Tänzer agieren wie hypnotisiert und mit stereotypen Bewegungen, die auf fatale Weise an Ski-Gymnastik erinnern.Einzig eine Frau, die als bleiche Somnambule wie körperlos über die Bühne schwebt, vermag zu fesseln.Ansonsten wirkt der Tanz reichlich überflüssig."Frankula" bietet keinen Nervenkitzel, der Abend balanciert auf dem schmalen Grat zwischen Horror und Nonsens, auf nervtötende Weise werden aber auch sattsam bekannte Klischees strapaziert.Wunderbar in seiner haarsträubenden Komik ist dagegen der Auftritt der Hysterikerin mit flammendroter Medusenmähne, die Darstellerin in rosa Negligé changiert von jungfräulicher Reinheit zu vampiristischem Gelüst, wechselt von spitzen Schreckensschreien zu perlenden Koloraturen.Den größten Reiz bezieht der Abend wieder daraus, daß Laub die Individualität seiner Nicht-Darsteller gezielt einsetzt, die unschuldige Lolita-Erotik von Hildigunn Eydfinsdottier, die kraftlos hängenden Arme und der schleppende Tonfall der schwermütigen Eva Gustafsson.Die früheren Produktionen von Remote Control Productions handelten stets davon, wie sich die Grenzen zwischen Fiktion und Darstellung verwischen.Der thematisierte Schrecken schlug als reale Aggression auf die Darsteller zurück.Laub erzählte immer auch von der Gewalt medialer Bilder.

Davon findet sich diesmal nur nur ein müder Reflex.Oft läßt der Regisseur wandelnde Klischees über die Bühne stöckeln, ohne daß die Verletzlichkeit der Darstellerin durchscheint.Die Erzählweise ist episodisch, fragmentarisch, aber auch konfus.Der Regisseur wollte die Fäden locker zu einem vielstimmigen Themengewebe verknüpfen.Da ist von künstlicher Schöpfung, Schönheitswahn und der Fatalität des Häßlichen die Rede, doch nichts prägt sich wirklich ein, die verborgenen Ängste hinter den Schreckens-Stereotypen werden kaum sichtbar.Michael Laub hat aus lauter Horror-Versatzstücken einen Bastard geschaffen, diese Bühnenkreatur muß aber erst noch laufen lernen.

Hebbel-Theater, Stresemannstraße 29, noch einmal heute, 20 Uhr.

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