zum Hauptinhalt

Kultur: Es muss nicht immer Messe sein

Das Art Forum bekommt Konkurrenz. Gespräch mit den Erfindern der „Art Berlin Contemporary“

Sie organisieren im Herbst im historischen Postbahnhof am Gleisdreieck eine große Kunstausstellung, an der 44 Berliner Galerien teilnehmen. Über das Projekt wird viel geredet, manche sehen darin eine Konkurrenz zum Art Forum, Berlins jährlicher Kunstmesse. Was war die Ursprungsidee?

MARTIN KLOSTERFELDE: Es gibt sieben Berliner Galerien, die vor Jahren das Gallery Weekend ins Leben gerufen haben: die Galerien von Max Hetzler, neugerriemschneider, Nordenhake, Giti Nourbakhsch, Esther Schipper und unsere beiden. Wir wollten schon länger auch etwas im Herbst veranstalten, weil das Frühjahrswochenende so erfolgreich ist – etwas für unsere Künstler und mit ihnen, das war die Motivation. Eine Art gemeinsame Ausstellung. Als dann der Termin für das Art Forum auf den Spätherbst verschoben wurde, dachten wir, jetzt muss etwas geschehen.

Die Entscheidung hängt also damit zusammen, dass das Art Forum auf Betreiben der Berliner Messegesellschaft für 2008 von seinem traditionellen Termin Anfang Oktober abgerückt ist. Was macht den September in Berlin so wichtig für die Kunst?

ALEXANDER SCHRÖDER: Da kommen die Sammler und Kuratoren in die Stadt. Das Art Forum hat den September zum Anlass für eine Berlin-Reise gemacht.

KLOSTERFELDE: Diese Terminverschiebung war unserer Ansicht nach ein großer Fehler. Darauf mussten wir reagieren.

Nun fürchten Kritiker, dass zur „Art Berlin Contemporary“ (ABC) alles nach Berlin strömt und die Kunstmesse ein paar Wochen später das Nachsehen hat.

SCHRÖDER: Im Frühjahr lagen das Gallery Weekend und die Eröffnung der Berlin-Biennale ja auch extrem nah beieinander. Trotzdem hat es funktioniert. Zwischen der ABC und dem Art Forum liegen nun sogar acht Wochen, und natürlich werden die einen kommen und dafür andere nicht.

KLOSTERFELDE: Es herrscht ein allgemeiner Messeüberdruss. Man selbst kann sich ja schon nicht mehr erinnern, auf welcher Messe man neulich wen getroffen hat. Wir Galeristen sehen uns auf den Kunstmessen inzwischen häufiger als in der eigenen Stadt. Dabei zeigt das Gallery Weekend, dass man die Besucher zurück in die Galerien holen und die Kunst dort verkaufen kann.

Wie stark wird sich die Ausstellung von dem Programm des Gallery Weekends unterscheiden? Es sind ja die gleichen Leute beteiligt …

KLOSTERFELDE: Die ABC war immer größer geplant als das Gallery Weekend, und sie sollte von Anfang an auch einen Blick auf die nächste Generation von Galerien ermöglichen. Aktuell sind wir bei 44 Teilnehmern und 73 Künstlern.

Wie kann man sich die Arbeit inhaltlich vorstellen? Gibt es ein Thema? Wer sucht die Arbeiten aus?

KLOSTERFELDE: Die künstlerische Leiterin Ariane Beyn tauscht sich mit den Galerien aus. Es ist nicht so, dass sie nun sagt, ich bin nur an bestimmten Arbeiten interessiert.

Also gibt es kein Thema?

KLOSTERFELDE: Das Thema sind die Medien, auf die wir uns festlegen, also ein Schwerpunkt auf Skulptur, Installation und projizierten Bildern. Das ist auch durch die für die Kunst noch völlig unerschlossenen Räume im Postbahnhof bedingt. Es wird ein Überblick werden über das, was in Berliner Galerien stattfindet. Die Arbeiten entstehen zum Teil auch erst für die Ausstellung. Und die Künstler sind begeistert von dem Raum.

SCHRÖDER: Eigentlich schlagen die Galerien die Künstler selbst vor. Das ist ein Experiment, auf das wir uns eingelassen haben. Die Liste ist nun allerdings sehr spannend, spannender vielleicht, als wenn es einen kuratorischen Überbau gäbe und die Arbeiten danach zusammengetragen werden.

Sie legen Wert auf die Feststellung, dass es sich bei der ABC um eine Ausstellung und keine Gegenmesse handelt. Es gab allerdings im Vorfeld schon Missverständnisse, nicht zuletzt um die Funktion des ehemaligen Chefs der Frankfurter Kunstmesse, Michael Neff, der eine Zeitlang auch als künstlerischer Leiter der ABC galt.

KLOSTERFELDE: Dieses Missverständnis kommt nicht von uns, sondern wurde relativ früh von den Medien in die Welt gesetzt. Michael Neff hat eine interne beratende Funktion, aber er war nie als künstlerischer Leiter vorgesehen. Wir Galeristen wollten eine Ausstellung machen, die in dieser Größenordnung eine Herausforderung für uns ist, weil wir keine Erfahrung damit haben. Wir arbeiten deshalb mit einem Team. Die künstlerische Leitung liegt bei Ariane Beyn, und dann gibt es noch andere hinter den Kulissen. Wir haben sofort alle Bereiche abgegeben, in denen Fachwissen nötig war.

Michael Neff hatte für die Fine Art Fair in Frankfurt ähnliche Ideen wie Sie für die ABC. Das liegt es nahe, Parallelen zu ziehen. Und immerhin hat er im Namen der ABC Interviews gegeben.

KLOSTERFELDE: Ich würde nicht sagen, dass es ein ähnliches Konzept war. Michael Neff wollte in seiner Messe mit Strukturen brechen. Es gab weniger Wände als gewohnt und keine Kojen, die dann allerdings trotzdem welche waren.

SCHRÖDER: Bei uns wird es keine Kojen geben. Es wird zur ABC ein Faltblatt geben, auf dem man sieht, welche Arbeiten von welchen Künstlern sind. Vielleicht gibt es auch Links zu den Galerien, aber es ist nicht vorgesehen, dass die Galeristen neben den Skulpturen stehen.

Verkäuflich sind die Arbeiten aber schon …

SCHRÖDER: Größtenteils ja, aber Basis der ABC ist eine andere Idee. Das Gallery Weekend ist in den vergangenen Jahren so gewachsen, dass man an diesem Wochenende gar nicht alle Ausstellungen sehen kann. Deshalb wollten wir eine Alternative bieten, wo Künstler, Galeristen und das Publikum zusammenkommen. Um die ABC zu einem kommunikativen Ort zu machen, wird es Lounges und Restaurationen geben. Wir planen ja auch langfristig und wollen im nächsten Jahr weitermachen.

Ist die ABC nicht auch der Versuch, ein mögliches Messemodell für die Zukunft aufzuzeigen: Weg vom Messewanderzirkus, den viele Galeristen inzwischen kritisieren?

KLOSTERFELDE: Wir setzen uns auf jeden Fall mit der Frage auseinander, wo das alles hinführt und natürlich versucht man auch, diese Entwicklung ein bisschen zu beeinflussen. Wir haben nichts gegen Kunstmessen, wir beteiligen uns ja auch an Messen. Ich kenne allerdings Kollegen, die inzwischen elf Termine im Jahr bewältigen. Ich habe an fünf teilgenommen und möchte mich künftig auf zwei Messen und die Galerie konzentrieren. Diese Fülle hält keiner aus. Es gibt die Art Basel als Fixstern, und die meisten Messen versuchen, das Konzept zu kopieren. Das schafft aber niemand. Deshalb ist es auf jeden Fall interessant, über Alternativen nachzudenken.

Gerade ist bekannt geworden, dass ABC und Art Forum im nächsten Jahr parallel stattfinden werden. Schließt sich die Teilnahme eigentlich aus?

KLOSTERFELDE: Keineswegs, wir verstehen uns ja nicht als Konkurrenz. Ich finde das Art Forum wunderbar. Es ist eine sehr spannende Messe, aber etwas völlig anderes als das, was ich und andere Kollegen inzwischen machen. Es ist eine Veranstaltung, die ich nicht zu kritisieren habe. Das bin nur nicht mehr ich.

So ganz lässt sich der Konkurrenzgedanke nicht ausblenden, weil fast alle Galerien, die das Gallery Weekend organisieren, dem Art Forum den Rücken gekehrt haben.

KLOSTERFELDE: Umso besser ist es doch, wenn wir jetzt sagen: ‚Hey, wir machen das zeitgleich, wir ziehen an einem Strang.’ Berlin ist groß genug, die Stadt hält beides aus, es gibt genügend Interesse.

Das Gespräch führten Christiane Meixner und Christina Tilmann. Infos unter www.artberlincontemporary.com

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false