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Szene aus "Fack ju Göhte 2" mit Elyas M'Barek.

© Constantin

"Fack ju Göhte 2" mit Elyas M'Barek: Der Komödie zweiter Teil

Elyas M'Barek alias Zeki Müller auf Klassenfahrt: „Fack ju Göhte 2“ ist der Film zur deutschen Bildungspanik.

Der Teufel, sagt Chantal, „ist ein Hurensohn“. Also einer, auf den man achten muss. Mit Faust hat der Teufel einen Pakt geschlossen, aber irgendwie schafft Faust es, sich da wieder herauszuwinden. So steht es in dem gelben Büchlein, das, verkündet Daniel, den alle mit gutem Grund nur Danger nennen, dieser Herr Reclam geschrieben hat. Oder hieß er Göhte? „Oh Gott“, entgegnet Herr Müller, ihr Lehrer, „Ihr habt doch nicht dieses Kackbuch gelesen?!“

Doch, haben sie. In „Fack ju Göhte“, der Komödie zweiter Teil, die am Donnerstag in die Kinos kommt, kennen die Problemkinder aus der Klasse 10b der Goethe-Gesamtschule tatsächlich den „Faust“, der Tragödie erster Teil. Jedenfalls ein bisschen. Chantal, Danger, Burak, Zeynep entstammen, das signalisieren bereits ihre Namen, einem Milieu, für den Soziologen den scheinbar neutralen, in Wirklichkeit höchst verächtlichen Begriff „bildungsferne Schichten“ geprägt haben. Es sind Lese-, Rechtschreib- und Matheversager, mit 15 bereits die Aussortierten des Schulsystems. Perspektive: Hartz IV. Doch wenn sie den richtigen Lehrer finden, einen, der sie ernst nimmt und herausfordert, dann wachsen auch schwersterziehbare Teenager über sich hinaus. Dann lesen sie sogar Goethe.

Herr Müller ist ein cooles Arschloch

Zeki Müller heißt der Lehrer, dem das Kunststück gelingt, die Neugier bei seinen desinteressierten Schülern zu wecken. Er schafft das, weil er selber von der Straße kommt. Elyas M’Barek spielt den Pädagogen wider Willen in einer schlawinerhaften Mischung aus Sensibilität und Härte. Die Rolle machte ihn zum Filmstar. „Alle Lehrer sind Arschlöcher“, sagt Chantal (Jella Haase), die mit ihren im zerhackten Ghetto-Deutsch herausgehauenen Sprüchen für die Proll-Gags des Films sorgt. „Aber Herr Müller ist ein cooles Arschloch.“

Wie aus Verlierern Sieger werden, das hat der erste Teil von „Fack ju Göhte“ gezeigt, in dem Zeki Müller als gerade aus dem Gefängnis entlassener Bankräuber auf der Suche nach vergrabener Diebesbeute mithilfe von gefälschten Papieren zum Deutsch- und Sachkundelehrer aufstieg. War das nicht auch eine Art Teufelspakt gewesen? Sich mit der Maske der Bürgerlichkeit zu tarnen, um dann in aller Seelenruhe abräumen zu können? Müller hatte dabei auch das Herz seiner Kollegin Schnabelstedt erobert, einer verhuschten Nachwuchsphilologin, die von Karoline Herfurth mit schief im Gesicht sitzender Hornbrille dargestellt wird. Die Goethe-Gesamtschule, im ersten Teil noch in einer namenlosen Großstadt angesiedelt, wird im zweiten Teil nun mittels einiger Panoramabilder in München verortet. In ihrer Betonkastentristesse ist sie, keine Frage, ein Sammelbecken der Abgehängten und Ausgemusterten. Wahrscheinlich der einzige Mensch an dieser Anstalt, der weiß, wie man Goethe richtig schreibt, ist die stets hochtourig rotierende, hochgradig intrigante Rektorin Gudrun Gerster, eine Paraderolle für Katja Riemann.

Zeki Müller auf Klassenfahrt

Eigentlich erschien „Fack ju Göhte“ auserzählt. Der Kriminelle hatte sich in einen Pauker verwandelt, auch in Liebesdingen gab es ein Happy End. Noch dreißig Jahre bis zur Beamtenpension. Dreißig Jahre Langeweile: kein toller Stoff. Doch „Fack ju Göhte“, der 2013 ins Kino gekommen war, fand sieben Millionen Zuschauer. Also musste er dringend fortgesetzt werden. Regisseur und Drehbuchautor Bora Dagtekin erzählt nun die gleiche Geschichte noch einmal. Aber diesmal ganz anders.

Bekannt geworden ist Dagtekin mit seiner Multikulti-Fernsehserie „Türkisch für Anfänger“. Als daraus ein Kinofilm wurde, schickte er die Figuren, eine von ihnen von Elyas M’Barek gespielt, in einen Chaos-Urlaub nach Thailand. In „Fack ju Göhte 2“ unternehmen nun Zeki Müller und die 10b eine ähnlich turbulente Klassenfahrt. Die Reise führt nach – große Überraschung – Thailand. Offiziell will die Goethe-Gesamtschule Kontakte zu einer südostasiatischen Partnerschule aufbauen. Inoffiziell jagt Lehrer Müller dem letzten Teil seiner Beute hinterher, einem Säckchen Diamanten, das im Bauch eines Plüschtieres gelandet und in einem Spendencontainer in das Schwellenland eingeschifft worden ist.

Hangover in Bangkok

Lehrerin Schnabelstedt gerät beim Einchecken im Flughafen unter Terrorverdacht und muss die Reise stornieren. Ihren Lebensgefährten versucht sie am Telefon zu beruhigen: „Du schaffst das. Jeder Tag ist pädagogisch durchstrukturiert.“ Worauf Herr Müller kleinlaut antwortet: „Und was ist, wenn einer stirbt?“ Die erste Leiche ist er selbst. Weil er aus Flugangst zu viel Alkohol und eine Großdosis Schlaftabletten eingenommen hat, liegt Müller bewusstlos auf dem Gepäckwagen, den seine Schüler bei der Ankunft in Bangkok grölend durch die Flughafenhalle schieben. Wild geschnitten und teilweise in Zeitlupe. Eine Reminiszenz an die Komödie „Hangover“, die von einem albtraumhaften Filmriss handelt.

Chantal, die sich für hochbegabt hält, aber eher tieferbegabt ist, fungiert als heimliche Hauptdarstellerin. Keine Attraktion oder Absurdität, die von ihr unkommentiert bliebe. Beim ersten Affen, der im Urwald an einem Baum hängt, kreischt Chantal: „Hilfe, ein Wolf!“. Einen Wasserfall hält sie für eine Kläranlage. Und im Off rezitiert sie aus ihrem Tagebuch: „Wir haben viele Menschen mit Schlitzaugen gesehen, aber das darf man nicht sagen, weil wir mal Nazis waren.“

Unschlagbarer Kommentar zur aktuellen Bildungspanik

Es gibt zotige Witze, in denen Tischtennisbälle und mit Chilisauce beschmierte Kondome eine Rolle spielen. Zwischendurch ist das Schüler-Lehrer-Verhältnis so gestört, dass elektronische Fußfesseln zum Einsatz kommen. Doch natürlich raufen sie sich wieder zusammen, und spätestens, als einige bemitleidenswerte Tsunami-Waisen auftauchen, schwenkt der Film um in Richtung Gefühlskino.

Unschlagbar ist „Fack ju Göhte 2“ als Kommentar zur aktuellen Bildungspanik. Vorgeführt wird, wie Schulen, allein gelassen mit ihren Problemen, gnadenlos miteinander konkurrieren. Sie buhlen um Aufmerksamkeit, versuchen Punkte zu machen durch Umwelt-AGs, Sportrekorde und die Integration von Ausländern oder Behinderten. Gegner sind in diesem Fall die Goethe-Gesamtschule und das Schiller-Gymnasium. Arm gegen Reich, Aussätzige gegen die Elite. „Wir haben 50 Prozent Migrationshintergrund“, triumphiert Katja Riemann als Rektorin am Telefon. „Aber wir haben einen echten Schwarzen“, posaunt die Schiller-Chefin. Riemann: „Ach was, der ist doch angemalt.“ Goethe und Schiller waren, kaum zu glauben, in Wirklichkeit Freunde.

„Fack ju Göhte 2“ startet Donnerstag

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