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Kultur: Fangt Feuer! Melancholische Kampfkünstler:

„The Grandmaster“ von Wong Kar Wai läuft AUSSER KONKURRENZ.

Ein Werk, hat mal jemand gesagt, sei nie fertig. Man muss nur irgendwann aufhören und zum nächsten übergehen. Wong Kar Wai kennt das. Er ist berüchtigt dafür, dass er nicht loslassen kann. Schon 1996 fasste er Pläne für „The Grandmaster“. Vor acht Jahren begannen die Arbeiten daran. Vier Jahre mussten die Hauptdarsteller Kung-Fu trainieren. Zur chinesischen Uraufführung im Januar wurde Wong kaum fertig mit den Schnitt. Und in Berlin ist wieder eine andere Version zu sehen.

„The Grandmaster“ erzählt von Ip Man (Tony Leung) und Gong Er (Ziyi Zhang). Er gehört zur südlichen Kung-Fu-Schule des Wing Chun, sie ist die Tochter eines Bagau-Großmeisters aus dem Norden. 1936 ist der Norden bereits von Japan besetzt, China droht auseinanderzubrechen. Gongs Vater will sich zurückziehen und fordert Ip Man zu einem letzten Kampf. Er will die Kung-Fu-Schulen und das Land versöhnen. Doch sein Ziehsohn und die Japaner durchkreuzen den Plan.

Schon einmal hat Wong Kar Wai sich an den Martial Arts versucht, mit bescheidenem Erfolg („Ashes of Time“). Dass er zwischenzeitlich mit „In the Mood for Love“ zum Meister der Melancholie wurde, ist „The Grandmaster“ jederzeit anzusehen. Seit Zhang Yimous „Hero“ und „House of Flying Daggers“ hat man Körper nicht mehr in solcher Schönheit aufeinanderprallen sehen. Die Beinarbeit und die Blicke, das Gleiten und Drehen, Lauern und Stoßen – aus Bildern wird Musik.

Aber den großen Stilisten Wong interessiert etwas anderes als Yimou. Beide zeigen Kampf als anmutigen Tanz. Während Yimou aber das Ritual betont, ist es bei Wong Kar Wai die Versenkung. Daher wirken die Zweikämpfe viel intimer. Und die Farben sind nicht symbolisch gesetzt, sondern atmosphärisch – es dominieren Feuer und Schnee. Wong macht sich das Material zu eigen. Alle Melancholie, die er so kunstfertig aufzurufen weiß, zielt immer auf eines: den verpassten Augenblick. Auch „The Grandmaster“ hat mindestens zwei solcher Momente; er erzählt von Losgerissenen und Versprengten, von der Reue und der Flüchtigkeit der Zeit. Und wieder ist es Hongkong, die enthobene Insel zwischen Ländern und Zeiten, wo die Einsamen sich wiederfinden. „Im Leben ist es wie im Schach“, sagt Ip Man. „Ein gemachter Zug bleibt auf dem Brett.“

Doch da Wong zur geteilten Traumwelt seiner Protagonisten noch weitere Welten hinzufügt, bleiben seine Vignetten Stückwerk. „Grandmaster“ wurde erkennbar unter Hast fertiggestellt. Ist es eine verpasste Romanze, die der Film beweint, oder das Ende der Kung-Fu-Clans? Eine Balance findet Wong nicht – beide Stränge sind zu schwach entwickelt, als dass sie wirklich rühren könnten. Es steckt ein besserer Film in diesem Material. Diesmal hat Wong Kar Wai im falschen Moment losgelassen. Entweder zu früh oder zu spät. Wie seine Helden. Sebastian Handke

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