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Kultur: Fast jedes Haus steht auf Beton

In beinahe allen Gebäuden schlummert heute ein Herz aus Beton. Doch meist ist dieses konstruktive Korsett nur für einen kurzen Moment zu sehen, ehe der Rohbau aus Beton zugedeckt wird.

In beinahe allen Gebäuden schlummert heute ein Herz aus Beton. Doch meist ist dieses konstruktive Korsett nur für einen kurzen Moment zu sehen, ehe der Rohbau aus Beton zugedeckt wird. Die Wände im Inneren erhalten dann einen Verputz und die Fassaden ein Kleid aus Klinker oder Naturstein. Nur selten zeigen Gebäude in unseren Breiten auch im fertigen Zustand nackten Beton.

Während viele Architekten eine große Leidenschaft zum Beton hegen, können sich nur die wenigsten Bauherren mit dem Material anfreunden. So kommt es, dass den wenigen gelungenen Sichtbetonbauten in Deutschland eine Vielzahl gescheiterter Versuche gegenübersteht.

Die archaische Kraft, die von den Rohbauten aus Beton ausgeht, hat die Berliner Architekten Becher und Rottkamp derart fasziniert, dass sie den Fotografen Stefan Müller gebeten haben, eine Serie von Aufnahmen ihres Labor- und Werkstattgebäudes der Fachhochschule Potsdam in diesem unfertigen Zustand zu machen. Eine ungewöhnliche Entscheidung - doch gerechtfertigt durch die Auswahl von acht Fotografien, die jetzt in der Galerie suitcase architecture zu sehen sind. Es sind Momentaufnahmen der Architektur, Erinnerungsbilder, die einen Zwischenzustand abbilden, der heute schon nicht mehr existiert: Denn natürlich geht der Baubetrieb weiter, muss das Haus termingerecht fertig gestellt werden. Und auch in Potsdam werden die Betonwände unter einer Verkleidung verschwinden, lediglich die Decken bleiben in ihrer Betonsichtigkeit erhalten.

In der Ausstellung sind nicht die gewohnten Architekturfotografien zu sehen, jene Hochglanzbilder, mit denen Architekten versuchen, sich und ihre Werke ins rechte Licht zu rücken. Über die Qualitäten der Architektur von Becher und Rottkamp erzählen sie wenig. Stattdessen rücken die Schwarz-weiß-Fotografien selbst in den Vordergrund. Stefan Müller sind mit ihnen beeindruckende Meditationen über Räume und Strukturen gelungen. Dem Minimalismus der gebauten Raumfolgen steht dabei die lebendig wirkende Struktur des Betons gegenüber, die Müller in seinen bemerkenswerten Kompositionen eingefangen hat.

Jürgen Tietz

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